Das ist der Beitrag zu einem Projekt, das schlussendlich im Angesicht der Gewalt nicht realisiert werden konnte. Siehe dazu: Projektentwicklung. Die Publikation ist aber notwendig, um die Dimension des Weltprojektes der Berge zu verstehen und auch die Möglichkeiten, die in der Globalisierung vorhanden sind. Freilich müssten zum Beispiel die Anmerkungen überarbeitet werden, da einiges nun unter der neuen Seite zum Weltprojekt publiziert wurde. Dies soll im Laufe des Jahres 2016 geschehen.
Herbert Arlt (Wien)
Email: arlt@inst.at
Das Forschungsvorhaben Weltprojekt der Berge begann im Jahre 1998 mit einem Kulturseminar unter internationaler Beteiligung. Heute ist es sowohl ein regionales als auch ein transnationales Projekt und basiert nun auf einem Vertrag, der zwischen der Kabardinisch-Balkarischen Staatlichen Universität (KBSU) (1) und dem INST (2) am 15.7.2009 abgeschlossen wurde. An der Präsentation vor dem Wissenschaftsrat der KBSU nahmen am Podium teil: der amtierende Ministerpräsident der Kabardinisch-Balkarischen Republik (KBR), Herr Murat T. Tchasaplishew, der amtierende Minister für Bildung und Wissenschaft der KBR, Herr Univ.Prof.Dr.habil. Safarbi Ch. Schchapsoew, der Rektor der KBSU, Univ.Prof.Dr. Barasbi S. Karamursow, sowie der Wissenschaftliche Direktor des INST, Dr. Herbert Arlt.
Das Forschungsprojekt „Weltmuseum der Berge“ ist regional verbunden mit dem Elbrus, der Elbrus-Region, der Kabardinisch-Balkarischen Republik, dem Kaukasus und transnational nicht nur mit einem neuen Verhältnis des Kaukasus zu Europa und zu einer Globalisierung mit humanem Gesicht. Transnational verbunden ist es vor allem mit der Herausbildung von gesellschaftlichen Verhältnissen, die von der UNESCO „Wissensgesellschaften“ genannt werden. Das Projekt beschränkt sich keineswegs auf ein Gebäude mit einer ständigen Ausstellung, die durch weitere Ausstellungen, Seminare, Konferenzen, Forschungsprojekte, eine Buchreihe, Filme, eine WWW-Plattform aktualisiert wird, sondern konstituiert sich als ein globales Wissensnetzwerk, das die gesamte Region mit ihrer Natur und Kultur einbezieht, aber ebenso Forschungsnetzwerke und Öffentlichkeiten weltweit. (3)
Ein wesentliches Charakteristikum des Projektes ist es, dass es von einer Universität – der Kabardinisch-Balkarischen Staatlichen Universität (KBSU) – und einem Forschungsinstitut – dem INST – getragen wird, die sich der Bedeutung von Wissenschaft und Forschung für gesellschaftliche Entwicklungen bewusst sind, sich auf Grundlagenforschung konzentrieren, aber zugleich auch darüber nachdenken, welchen Nutzen Gesellschaften aus ihren Erkenntnissen ziehen könnten. (4)
Zu den Elementen des Projektes, die der Grundlagenforschung zuzurechnen sind, gehören im derzeitigen Stadium die Fragen nach Sprachen, Literaturen, Künsten, aber auch nach Wasser, Essen, Trinken, der Architektur, den gesundheitlichen Folgen von Bergtouren über viertausend Metern (Höhenmedizin), der Art der Bergtouren (Bergführerausbildung), der kosmischen Strahlung, den Sternen – oder ganz generell der Kultur im Sinne einer Umwandlung der Welt an sich durch die Menschen. Das sind einige der Fragestellungen, die am Beginn des Projektes aufgeworfen wurden in einem Prozess, der für viele Jahre gedacht ist und nicht mit dem Jahre 2014 und der Eröffnung des Weltmuseums als regionaler Institution im Rahmen der Olympiade im Februar 2014 enden soll, sondern als nachhaltiger Prozess gedacht ist. Seine Konstituierung hat mit der Kulturexpedition des INST sowie der Konferenz im Elbrus-Gebiet vom 3. bis 20.7.2009 und insbesonders der Vertragsunterzeichnung begonnen und damit jahrelange Arbeit in einen neuen Kontext gestellt.
Unter Grundlagenforschung wird im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt „Weltmuseum der Berge“ verstanden, dass nach dem gefragt wird, was ist. Dass aus dieser Forschung Ergebnisse resultieren, die auch von Nutzen sein können, ist selbstverständlich. Aber ganz gegen den Trend heutiger (vor allem industrieller bzw. staatlicher) Forschungsorganisation wird davon ausgegangen, dass der Weg nach dem unmittelbaren Nutzen zu fragen, der falsche Weg ist, selbst wenn es darum geht, einen möglichst hohen Nutzen bei geringen Kosten zu erzielen. Denn wie soll etwas nutzen, das nicht der Realität entspricht? Ist nicht die heutige Krise Ausdruck eigentlich gerade dieser Fehlorientierung einer Erkenntnisgewinnung, für die ein Ergebnis bereits im Forschungsantrag formuliert sein soll? Ist nicht die Steuerung der Erkenntnisse aus partikularen Interessen genau das, was unproduktiv ist und zwar aus Gründen, die schon seit Jahrtausenden dargestellt wurden? Und hat sich nicht die Produktivität der Forschung in den letzten Jahrhunderten gerade dadurch entwickelt, dass ihr Kampf um ihre Freiheit erfolgreich war? Sagt nicht bereits der Aufwand für die Verwaltung, deren Regeln mehr und mehr der Gegenstand der ForscherInnen werden, alles über die Fehlentwicklung aus?
Freilich gibt es durchaus auch wissenschaftliche Erkenntnisse zu dem, was nutzt. Deren Anwendung ist aber Teil eines Prozesses, der die Erkenntnisse selbst verändert. (Insofern eignen sie sich nicht für Verwaltungsvorgaben, da Verwaltungen als Grundlage die Vergangenheit nehmen.) Das Projekt hat dagegen im Sinne permanenter Innovationen im Rahmen von Prozessen basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen eine unmittelbare materielle Bedeutung für die Universität, für die Region, die Republik, den Nordkaukasus, aber auch das gemeinnützige INST. Und diese unmittelbare Bedeutung für die Elbrus-Region ist vor allem mit dem Begriff „Kulturtourismus“ (5) verbunden, während es im Verhältnis von Region und Forschung um eine neue gesellschaftliche Gewichtung der Forschung geht, die auch auf eine neue materielle Basis gestellt werden muss. Denn der Gewinn aus den Erkenntnissen kommt der Landwirtschaft, den wirtschaftlichen Unternehmungen (Seilbahn, Hotels, Fluglinien etc.) und dem Staat zu. Daher sind von dieser Seite auch die Kosten für die Arbeit der gemeinnützigen Institutionen wie der KBSU und dem INST zu decken – durchaus auch unter Einbeziehung internationaler Finanzierungen (wie dies allgemein üblich ist).
Anders als der Massentourismus, der die Natur, das Aussehen, die traditionelle Infrastruktur einer Region zerstört und damit seine Nützlichkeit untergräbt bzw. sogar grundsätzlich in Frage stellt, kann der Kulturtourismus einen neuen Umgang mit der Natur eröffnen, der regionalen Kultur die Mittel geben, um sich selbst darzustellen, sich zu entwickeln, der regionalen Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie neue Märkte eröffnen (6), indem sie sich selbst auch einer Transformation unterziehen und ganz generell den Menschen der Region in vielfältiger Weise Arbeit schaffen. Der Kulturtourismus ist daher keineswegs als Tourismus der Wenigen gedacht, die die Welt erkunden wie dies im 18. Jahrhundert der Fall war, in dem Tourismus eine neue Weise wurde, Welt zu erforschen und auch der Terminus „Tourist“ geprägt wurde. Vielmehr hatten und haben „Pioniere der Touristik“ wie Lermontow, Puschkin oder heute Reinhold Messner mit ihren Beschreibungen neue Wege gewiesen (auch wenn dies meist nicht so geplant war und die Folgen erst später sichtbar wurden). Und zu diesen Beschreibungen gehören auch die Elbrus-Besteigungen, die den Elbrus nicht nur als Berg würdigten, sondern auch ein neues Verständnis von Europa schufen, wobei die kulturellen Bezüge von grundlegender Bedeutung waren. (7)
Die Konstituierung und Entwicklung des Kulturtourismus ist freilich nicht durch eine andere Wortwahl, durch Rhetorik und Design zu erreichen. Sie setzt Wissen voraus, Vorstellungsbildung, Handlungsstrategien, die auf grundlegenden Erkenntnissen zu Natur und Gesellschaft basieren und eine Interaktion der Menschen, die vielerlei einschließt (vor allem auch die Kommunikationsfähigkeit mit anderen auf der Basis von Sprach- und Kulturkenntnissen). Gerade in diesem Zusammenhang ist wichtig, dass die Kabardinisch-Balkarische Universität in vielerlei Hinsicht das Potential hat, grundlegend zur Entwicklung der Region beizutragen und auch zu einem Zentrum neuer europäischer Beziehungen zu werden.
Wesentlich an ihrer Geschichte erscheint mir, dass sie von einer pädagogischen Hochschule zu einer Universität werden wollte und die Grundlagenforschung auch heute ihr zentrales Anliegen ist. (8) Die Universität ist aber auch unmittelbar mit der Region verbunden: mit ihren Menschen, mit einem Hotel (das auch als Konferenzzentrum dient), einem Observatorium, einer ganzen Reihe von Instituten, die sich mit balkarischer Sprache und Geschichte, kabardinischen Traditionen, mit Ökologie, Architektur, (bedrohten) Tierarten, Bergbesteigungen, Wanderwegen, aber auch mit vielen Sprachen, Literaturen, Künsten, Wissenschaften und Forschungen der Welt beschäftigen. Ihre WissenschafterInnen haben die Region durchwandert und in vielerlei Hinsicht durch modernste Forschungen (z.B. Nano-Forschung seit den 50er Jahren) dazu beigetragen, neue Erkenntnisse zu sammeln, die von weitreichender Bedeutung sind. Und es ist ihr grundlegendes Anliegen, in einen intensiveren Austausch mit der Welt zu treten. Sie erfüllt damit – wesentlich jünger als die Universität Kairo – eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe der Universität, die Barack Obama in seiner Rede Remarks by the President on a new Beginning angesprochen hat: „you represent the harmony between tradition and progress“. Eine gesellschaftliche Rolle der Universität, die Barack Obama im ersten Absatz seiner Rede weltweit beachteten Rede hervorhebt und insgesamt für die Einrichtungen der Wissensproduktionen zu gelten scheint, wenn sie ihren Aufgaben nachkommen.
Wesentlich sind aber nicht die Institutionen an sich, sondern vor allem die Menschen, die forschen und sich gesellschaftlich für die Forschung engagieren. Der langjährige Rektor der Universität, der habilitierte Physiker Univ.Prof.Dr. Barasbi S. Karamursow, ist eine solche Persönlichkeit, die durch ihre Forschungen, ihren Weitblick, ihr Engagement nicht nur für die KBSU, sondern auch für die Region Neues ermöglichen können. Im Juni 2009 wurde er für weitere fünf Jahre als Rektor gewählt und steht daher bis zur Eröffnung des Weltmuseums der Berge als regionaler Institution im Jahre 2014 als Partner zur Verfügung, ohne den dieses Projekt nicht begonnen hätte werden können. Er ist zudem Vorsitzender der russischen Universitäten und nimmt auch in anderer Weise eine wesentliche gesellschaftliche Position ein. Den Kontakt aber auf- und ausgebaut hat Univ.Prof.Dr. Raschid Alikajew, der nicht nur ein ausgezeichneter Germanist ist, sondern auch ein exzellenter Kenner des Alltags (Küche, Gebräuche u.a.), der Menschen seiner Region, ihrer Sprachen, Literaturen, Künste. Seine vielfältigen kulturwissenschaftlichen Interessen und seine sprachlichen Fähigkeiten ermöglichten es erst, ein breites transdisziplinäres Kooperationsprogramm zwischen dem INST und der KBSU aufzubauen, das auch eine allgemeine wissenschaftliche Akzeptanz in der Region gefunden hat wie die Reaktionen im Wissenschaftsrat der KBSU am 15.7.2009, aber auch die Exkursionen im Rahmen der INST-Kulturexpedition gezeigt haben.
Wesentlich für die Region wird sein, wie sie die Möglichkeiten nutzt, die sich durch die Olympiade 2014 als einem potentiell Völker verbindenden Ereignis ergeben, die zum Teil auch in der Elbrus-Region stattfinden wird. Vieles, was grundsätzlich regional benötigt wird, scheint in Vorbereitung zu sein und die Veränderungen sind sichtbar. Darunter wurde der Flughafen modernisiert, die regionale Infrastruktur wird ausgebaut, aber es werden auch Fragen danach gestellt, was diese Entwicklung für die Natur der Region, für die kulturellen Traditionen bedeutet und ob Nachhaltigkeit gegeben sein wird. In diesem Zusammenhang werden Angebote gemacht, Natur und Kultur in neuer Weise kennen zu lernen. Das haben etliche Beiträge zur Konferenz „Berge und Kulturtourismus“ vom 11. bis 13.7.2009 im Baksan-Tal deutlich gemacht. Und das entspricht der Notwendigkeit, in den sich entwickelnden Gesellschaften nicht nur die materiellen Infrastrukturen zu entwickeln, sondern vor allem auch die virtuellen. Denn mehr und mehr werden gerade die virtuellen Infrastrukturen das wichtigste Elemente in der Entwicklung, während die Reproduktionen an Bedeutung zu verlieren beginnen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Vergleich zwischen dem Kilimanjaro (9) und dem Elbrus als Tourismus-Regionen. Der Kilimanjaro ist der höchste Berg Afrikas, der Elbrus der höchste Berg Europas. Der Kilimanjaro befindet sich durchaus nicht in einer konfliktarmen Region – ebenso wie der Elbrus (wenngleich nicht aus den selben Gründen). Im Gegensatz zum Kilimanjaro, der bis zu rund 60.000 Menschen Arbeit und damit Einkommen ermöglicht, steht die Elbrus-Region erst am Anfang einer (kultur-)touristischen Entwicklung, obwohl die Traditionen des Bereisens der Region alt sind. Der Elbrus ist technisch erschlossen – und diese technische Erschließung mit Seilbahnen, Sesselliften wird in Vorbereitung der Olympiade modernisiert bzw. ausgeweitet. Dagegen ist der Weg auf den Kilimanjaro zu Fuß zurück zu legen. Es gibt keine Straßen, Seilbahnen oder Hubschrauberflüge. Die Besteigung des Gipfels ist eine Wanderung durch die Natur.
Für den Kilimanjaro-Tourismus war nicht nur der Flughafenbau in Arusha 1953 wichtig, sondern auch eine touristische Erschließung auf der Basis eines Nationalparks, der Durchsetzung ökologischer Elemente, neuer Formen der Bergbesteigung durch eine neue Art der „Bergführung“, aber auch und vor allem die Verbindung mit einer kulturellen Strategie. Der Erfolg von Hollywood wurde zum Erfolg von Afrika nicht nur durch den Film nach der Novelle von Ernest Hemingway mit dem Titel „The Snows of Kilimanjaro“. Der Kilimanjaro ist auch das Symbol des afrikanischen Freiheitskampfes. Nicht zufällig wird der höchste Punkt Afrikas Uhuru Peak – Freiheitsgipfel – genannt wird. Während der Film „The Snows of Kilimanjaro“ durchaus durch touristische Aspekte im negativen Sinn geprägt wird (die der Film zum Teil selbst reflektiert), ist eine Vielzahl von literarischen Texten, Bildern, Filmen von ganz anderen Aspekten geprägt, obwohl das Bild, das die Rezeption des Kilimanjaro prägt, der weiße Gipfel ohne Menschen ist, der vor allem durch Hollywood geprägt wurde. (10)
Der Elbrus hingegen ist in vielen seiner Darstellungen in einer Region der Verbannung, der kriegerischen Auseinandersetzungen situiert. Literatur, bildende Kunst, Filmemacher haben sich durchaus auch mit diesem monumentalen Massiv in bemerkenswerter Weise auseinandergesetzt. Nicht zuletzt aufgrund seiner symbolischen Bedeutung als höchster Gipfel Europas war er Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen im Kampf gegen den Hitler-Faschismus. Weitgehend unbekannt verblieben vor allem in Westeuropa und auf anderen Kontinenten bis heute seine alte Geschichte (verbunden z.B. mit der Prometheus-Mythologie).(11) Die Kenntnis der Dichtung zum Elbrus (Michail Lermontow, Aleksandr Puschkin u.a.) ist im wesentlichen auf die Russischsprachigen beschränkt verblieben und ebenso die der Werke der bildenden Künste, der Wissenschaft und Forschung (trotz der Bedeutung der KBSU nicht nur in Südrussland, sondern auch weit darüber hinaus und trotz der internationalen Beziehungen der KBSU, ihrem UNESCO-Lehrstuhl (12) und der Orientierung am Bologna-Prozess (13)).
Muss erst Hollywood einen erfolgreichen Film über den Elbrus machen, damit der Elbrus ein kaukasischer Erfolg werden kann? Oder gibt es in den sich entwickelnden Wissensgesellschaften andere Möglichkeiten?
Im Kontext dieser Fragestellung schlug das INST der KBSU das Projekt „Weltmuseum der Berge“ vor – aber auch im Kontext der eigenen Forschungsprogramme zur Methodologie transnationaler, transdisziplinärer Kulturforschung, der Erforschung vielsprachiger Kulturwissenschaft, der Herausbildung neuer Öffentlichkeiten für Wissenschaft und Forschung (Weltverlag, Weltfernsehen) und nicht zuletzt dem Forschungsprojekt „Weltprojekt der Berge“, dessen Ansatz – die kulturelle Dimension der Berge zu erforschen – seit dem Jahre 2001 durch eine Resolution der Generalversammlung der UNESCO unterstützt wird.
Einige Fragestellungen, die sowohl die KBSU als auch das INST interessierten, waren bzw. sind unter anderen:
Wie wird der Elbrus in Sprachen, Literaturen, Künsten, Wissenschaft und Forschung sowie anderen Zweigen der Wissensproduktion dargestellt? Welches sind die verbindenden Elemente zu anderen Bergdarstellungen? Inwiefern sind Besonderheiten festzustellen? (Teilergebnisse sind publiziert unter: www.inst.at/berge).
Welches sind die Sprachen der Bergbesteigungen? (Im Entstehen ist ein Lexikon in Deutsch, Balkarisch, Kabardinisch, Russisch, das durch andere Sprachen der Region, aber auch durch andere Sprachen der Welt wie Englisch erweitert werden soll.)
Welches sind die Anschauung des Elbrus (Bilder, Filme, Kunstwerke, Kartographie etc.)? Welche Beiträge können die Institute der KBSU, die Universitäten und Forschungseinrichtungen des Kaukasus, die internationalen Forschungsnetzwerke der Science Community dazu leisten?
Durch wen wird die Elbrus-Region besiedelt? Welche Bedeutungen haben Traditionen auch angesichts der gegenwärtigen Entwicklung? (Dies verbindet sich mit INST-Forschungen im Kontext eines Weltkochbuches, der Bedeutung von Tieren im Zusammenleben mit Menschen, dem Handwerk, der Landwirtschaft. – Dabei geht es auch darum, alte Kenntnisse mit neuen Kenntnissen zu verbinden. Dies spielt im Zusammenhang mit Wasser, der Zubereitung von Speisen, der Organisation des Wanderns und des Bergsteigens etc. eine zentrale Rolle.)
Wie verbindet sich Regionales mit der modernen Massenkommunikation via Internet? In welcher Weise ist es möglich, den Wissenstransfer, die Wissenskommunikation in einer Weise zu organisieren, die sich nicht auf wenige Zentren beschränkt, sondern sich zum gegenseitigen Nutzen öffnet. – Gerade die Berge, die etwa ein Drittel der Weltoberfläche bedecken, sind ein Gegenstand verbindenden Interesses. (Das hat auch das UN-Jahr der Berge 2002 gezeigt.)
Inwiefern ändert sich die Bedeutung der Virtualität (Vorstellungsbildung) in den sich entwickelnden Wissensgesellschaften? Welche Rolle spielen in diesem Kontext Sprachen, Literaturen, Künste, Wissenschaften, Forschung und andere Formen der Wissensproduktion?
Von zentralem Interesse ist daher auch die Fragestellung, welche Rolle eine Einrichtung wie die KBSU in Europa einnehmen kann. – Hier spielen sowohl die persönlichen Begegnungen im Rahmen des INST-Netzwerkes eine Rolle als auch Konferenzen, Seminare etc., die in der Elbrus-Region stattfinden werden.
Es ist eine Realität, dass sich die gesellschaftliche Bedeutung der Berge unter dem Einfluss wissenschaftlicher Forschungen vor allem seit dem 18. Jahrhundert gewandelt hat. Von den „Warzen der Erde“ – wie es noch im Mittelalter hieß – wurden die Berge zu den Schönheiten der Welt (ohne sich selbst verändert zu haben). Verändert aber haben sich die Menschen, die mehr und mehr in die Berge zogen, ohne dass diese Form des Massentourismus an den Klischees viel geändert hätte. Die unmittelbare Anschauung allein brachte noch keinen Wandel, da die Handlungen vorgeprägt waren und sind. So wie der Ortswechsel im Film „The Snows of Kilimanjaro“ noch keine Änderung der Menschen bewirkte. Erst eine neue Interaktion der Menschen eröffnet auch eine neue Sichtweise auf die Berge, die jenseits der Hässlichkeit (Mittelalter), der Verklärung (18. bis 20. Jahrhundert) liegt und ihre Dimension sichtbar werden lässt.
Kulturtourismus bedeutet daher nicht, einen Berg zu verklären, sondern ganz im Sinne der Aufklärung einen neuen Zugang zu ihm zu ermöglichen. Diese neuen Entdeckungen seiner Selbst (gerade bei der Besteigung), aber auch der (kulturellen) Umgebung können einen großartigen Reiz ausmachen. Und es nutzt nichts, Infrastrukturen zu schaffen, wenn keine nachhaltige Nutzung gewährleistet ist oder der Berg an Attraktivität gerade durch die Infrastrukturen verliert. Der offene Zugang, das verbindende Interesse – wie im Falle der Olympiade -, der Zusammenhang zwischen Prometheus als einer zentralen Figur der europäischen Aufklärung und dem Kaukasus als Ort dieses Mythos, die Verbindung alten, regionalen Wissens mit neuesten Erkenntnissen sind einige der Elemente, die eine andere Form des Tourismus durch Wissenschaft und Forschung ermöglichen könnten.
Wesentlich war und ist in diesem Zusammenhang auch, welche Öffentlichkeit geschaffen werden kann. Ist es die Öffentlichkeit eines einzelnen Reisenden, die bis heute aktuell geblieben ist? (14) Ist es die Reproduktion einer bekannten Welt in einer anderen Welt wie im Film „The Snows of Kilimanjaro“? Oder gibt es auch ein Millionenpublikum für Wissenschaft und Forschung, die zunehmend an gesellschaftlicher Bedeutung gewinnen? – Die kommenden Jahre werden zeigen, welche Ergebnisse die Forschung bringen und welche (interaktive) Öffentlichkeit sie erreichen werden. Die bisherige Entwicklung war ermutigend.
* Eine ausführliche Darstellung des Projektes „Weltmuseum der Berge“ wird im Rahmen der Publikationen zum „Kulturtourismus“ (siehe Index-Seite) und dem Buch „Weltmuseum der Berge“ erfolgen, die am 28.11.2009 im Rahmen des Bergfilmfestivals in Salzburg vorgestellt werden. Dort werden detailliert Elbrus-Ansichten, Kartographie, Bilder, Filme, Ausstellung, Festivals etc. dokumentiert, analysiert und erläutert. Dort wird auch mehr über die KBSU, die Region, das Forschungsprogramm etc. enthalten sein.
(1) Offizielle Informationen zur Kabardinisch-Balkarischen Republik: http://www.circassianworld.com/Kabardino-Balkaria.html Dort die offizielle Seite der Universität: http://www.kbsu.ru/ (Alle Abfragen für diesen Aufsatz sind vom 12.8.2009.)
(2) Die siebensprachige Homepage des INST: www.inst.at
(3) Zum Begriff „Wissensgesellschaft vgl.: http://www.inst.at/trans/17Nr/arlt.htm
(4) Broschüre: Kabardino-Balkarian State University on the way to dynamic development. Naltschik o.J. | Barasby S. Karamurzov: How can the leadership of the universities promote intercultural dialogue? Im WWW: http://www.coe.int/t/dg4/highereducation/moscow%202-3%20june%202009/B%20S%20%20Karamurzov%20-%20paper.pdf | INST-Konferenz: Wissen, Kreativität und Transformationen von Gesellschaften. (7.000 TeilnehmerInnen aus über 100 Ländern.) Eröffnungsredner: EU-Kommissar Figel’ und Bundeskanzler Dr. Gusenbauer. Das Programm im WWW: http://www.inst.at/kctos/index.htm Zu den Plenarprogrammen gehörte die Vorstellung des INST-Weltprojektes der Berge: http://www.inst.at/kctos/programm/berge.htm
(5) Vgl.: Kurt Luger/ Franz Rest (Hg.): Der Alpentourismus. Entwicklungspotenziale im Spannungsfeld von Kultur, Ökonomie und Ökologie. Studien Verlag: Innsbruck 2002. Dort ist unter „Zukunftsprojekten“ bereits eine Skizze der neuen Möglichkeiten der Kulturwissenschaften vorhanden, sofern ihnen gesellschaftlich die entsprechenden Rahmenbedingungen ermöglicht werden.
(6) Die Entwicklung des hohen Anteils der Bio-Landwirtschaft in Österreich ist unmittelbar mit dem Tourismus verbunden. Als Beispiel für die Erfolgsgeschichte einer Lebensmittelfabrikation, die den Tourismus für sich zu nutzen wusste, sei die Firma Darbo erwähnt: http://www.darbo.at/en/home.html Auf die Bedeutung des „Fremdenverkehrs“ wird in der Selbstdarstellung unmittelbar Bezug genommen: http://www.darbo.at/uebersicht/erfolgsstory.html
(7) Reinhold Messner hat nicht nur den Elbrus bestiegen, sondern auch zur Diskussion um die Seven Summits wesentlich beigetragen. Wie immer im Falle seiner Projekte war sein Aufstieg auf den Elbrus eine Besonderheit, zu der es auch eine umfangreiche Literatur gibt. Einen kleinen Überblick über die Seven Summit Diskussion gibt folgender Beitrag: http://www.cohp.org/personal/Seven_Summits_essay/seven_summits_essay.html
(8) Vgl. die Rede des Rektors, Univ.Prof.Dr. Barasbi S. Karamursow, im Video auf der Seite „Zum Projekt“ im Rahmen der WWW-Seiten zum Weltprojekt der Berge.
(9) Vgl. dazu die Publikation zum INST-Kilimanjaro-Projekt: http://www.inst.at/burei/CBand2.htm
(10) Allgemein wird ein Bild des Kilimanjaro als ein Berg ohne Menschen verbreitet. Tatsächlich leben aber über eine Million Menschen in dieser Region. Ein Beispiel einer anderen Darstellung: Christof Hamann, der 2004 an der INST-Kilimanjaro-Expedition teilnahm, schrieb nicht nur einen Beitrag zur Projektdokumentation (s. Anmerkung 9), sondern auch einen Roman: Usambara. Steidl Verlag: Göttingen 2007. Er hat sich sowohl kulturwissenschaftlich als auch literarisch mit dem Bergsteigen als kolonialem Akt, den Folgen der Schnelligkeit in großen Höhen und anderem auseinandergesetzt. In seinen Werken stehen die Berge nicht für sich, sondern sie entstehen aus ihrer Beziehung zu den Menschen in ihrer kulturellen Dimension.
(11) Vgl. dazu: http://www.inst.at/berge/kaukasus/arlt.htm
(12) Im WWW u.a.: http://portal.unesco.org/education/en/files/2805/1024497001386(99).rtf/386(99).rtf
(13) Realization of the Bologna Process Principles in the Russian Federation higher Education Institutions. Kabardino-Balkarian State University: Nalchik 2008. Editorial Board: Azamat Shebzukhov (Chief Editor), Svetlana Bashieva, Alexei Savintsev, Antonia Yazeva, Elmiea Kodzokova.
(14) Umstrittene Reiseberichte dieser Art wurden in den letzten Jahren zum Beispiel von V.S. Naipaul (Eine islamische Reise. Kiepenheuer & Witsch: Köln 1982) und Peter Handke (Abschied von Jugoslawien. Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien. Suhrkamp: Frankfurt am Main 2007) publiziert. Sie zeigen, dass eine Welt auch dann unbekannt bleiben kann, wenn vom Wohnzimmer aus via Internet die Gegenden via Satellit genau betrachtet, Nachrichten live übermittelt werden können. Die Globalisierung der Kommunikation, der Öffentlichkeiten verbindet sich aber zugleich mit der Tatsache, dass rund ein Drittel der Menschen weltweit aufgrund funktionalem Analphabetismus aus den gesellschaftlichen Prozessen mehr oder weniger ausgeschlossen sind. Aber auch für die anderen Menschen gilt gerade im Zusammenhang mit den Bergen: Es bedarf noch eines weiten Weges, um die Berge in ihrer komplexen Dimension wahrzunehmen.