Mythologie und Gegenwart – der Kaukasus im Europäischen Bewusstsein*

Herbert Arlt
Einleitung
1. Überlieferung und Methodologie
2. Das Beispiel: Amirani/ Prometheus
3. Mythos als Fragment
4. Die Überlagerungen
5. Der Rand der Welt

Einleitung

Mitten in den gegenwärtigen europäischen Prozessen, in denen Nationalismus und Machtpolitik wieder die Dominanz über Märkte und Ökonomie bekommen, erschien ein Roman von Umberto Eco über Lügen, Mythen, Geschichte und Politik, der eine breite Resonanz nicht nur in Europa hatte.1 Im Mittelpunkt des Romans steht ein Reich am Rande der Welt. Und gerade so am Rande der Welt lagen die Länder des Kaukasus lange in den griechischen Vorstellungen. Und dennoch hat dieser „Rand der Welt“ nicht nur in dem Roman von Umberto Eco das „Zentrum“ nicht unwesentlich beeinflusst, sondern sogar wesentlich geprägt.

Auch in der Gegenwart spielen diese Prozesse der Wechselwirkungen und
Transformationen eine Rolle. Mythologie wird bemüht, wenn es um die Erweiterung
der Europäischen Union geht.2 Unterschieden wird zwischen progressiven und
reaktionären Mythen in einer Phase, in der kulturelle Reflexionen noch kaum eine
Rolle in der Politik der Wirtschafts- und Währungsunion spielen, obwohl die
Handlungsweisen selbst kulturell bestimmt sind und vor allem den Umgang mit der Technologie prägen.3 Mythologische Elemente – auf Slogans reduziert – geistern durch die Gegenwart.

Mythologie prägt den Alltag weltweit nicht nur auf diese Weise: ob Schulbildung
in Europa, Politik in den USA oder Japan, Auto-Bezeichnungen in Südkorea bzw.
Technologie-Benennungen im WWW – immer wieder sind es nicht nur mythische Namen, die eine Rolle spielen: Es geht um Prägungen auf der Basis von unterschiedlichen Mythologien im gegenwärtigen Alltag weltweit.

In diesem Kontext soll im Rahmen dieses Beitrages folgenden Fragestellungen in
verschiedenen Abschnitten anhand des „Mythos“ bzw. der Mythologie von
Amirani/ Prometheus nachgegangen werden. Erstens: Was ist unter Mythos zu
verstehen? Zweitens: Was wissen wir von Mythen bzw. können wir von ihnen wissen?
Welche Bedeutung haben Mythen – überliefert in Mythologien – für die Gegenwart
(konkret: der „Mythos“ von Amirani4/ Prometheus)?

Die Auswahl dieses Beispiels bot sich nicht zuletzt deshalb an, weil Prometheus
in allen Sparten der Wissensproduktion insbesondere seit dem 18. Jahrhundert
immer wieder ein Symbol und eine Leitfigur des Wissens war. Am Wissen um ihn,
seine kulturelle Entstehung, seine Widersprüchlichkeiten kann daher viel gezeigt werden.

1. Überlieferung und Methodologie

In der Forschung wird nicht immer (begrifflich bzw. faktologisch) zwischen
Mythos und Mythologie unterschieden. So wird zum Beispiel fast allgemein der
Begriff „Prometheus-Mythos“ verwendet. Gemeint ist aber die
Prometheus-Mythologie, wie wir sie durch Homer5, Hesiod6 oder Aischylos7 kennen.
Den Mythos selbst, der der mündlichen Tradition angehört, kennen wir nicht.
Ebenso problematisch ist der Begriff „Amirani-Mythos“, dessen schriftliche
Fixierungen erst auf das 18. bis 20. Jahrhundert zurückgehen8. „Beide“ Mythen
(bzw. Mythologien) existieren aber schon länger, als ihre schriftlichen
Fassungen, was durch schriftliche Quellen belegt ist (nicht aber sie selbst und
schon gar nicht ihre Tradierung – und nur Ansätze für ihre Datierung).9

Will man nun in der Erforschung der Mythen und Mythologien nicht im Sinne der
Figuren in Umberto Ecos Roman „Baudolino“ handeln (wie dies nicht nur im
Mittelalter, sondern auch in der Antike durchaus üblich war10), sind – gerade
aufgrund der Sekundärliteratur – einige methodologische Überlegungen vorab
notwendig. Was Eco hervorragend nicht nur im Roman „Baudolino“, sondern auch in
seinen wissenschaftlichen Büchern11 gezeigt hat: in der Welt der auf sich
selbst bezogenen Sprache ist nahezu alles „beweisbar“; zugleich aber beschreibt
er auch, dass diese Beweise (Entsprechungen von Worten, Erzählstrukturen usw.)
nahezu wertlos sind, wenn es darum geht, „Ursprünge“, „Genealogien“ usw. zu
belegen bzw. „Rekonstruktionen“ zu „beweisen“. Es ist daher eine andere
Vorgangsweise zu wählen: ein Annäherungsverfahren. Hier (verteilt auf
verschiedene Abschnitte): Erstens eine zeitliche Bestimmung der Überlieferungen
und ihres historischen Kontextes – soweit dies überhaupt möglich ist. Zweitens:
Die Bestimmung der mythologischen Elemente des Textes. (Bereits Claude
Lévi-Strauss hat festgehalten, dass Mythen nicht als Erzählungen aufzufassen
sind, sondern als Fragmente12 und auch nur so erkennbar sind.) Drittens: Das
Verhältnis von Geschichte (die keineswegs nur aus überlieferten Texten besteht,
sondern auch aus – erst seit kurzer Zeit – datierbaren Knochen, Tonscherben,
Ruinen, Werkzeugen usw.13) und den Textelementen in ihren Überlagerungen und
damit ihrer Widersprüchlichkeit.

2. Das Beispiel: Amirani/ Prometheus

Das Problem der enthistorisierten Forschungen, die bereits in der
„vorgeschichtlichen“ (besser: vorschriftlichen) Zeit Basiselemente der
gegenwärtiger Gesellschaften vermuten, liegt nicht selten darin, dass sie sich
„national“ beschränken und auch im Falle von Amirani/ Prometheus dann von zwei
Mythen-Systemen und zwei Kulturen sprechen, wenn die Wechselwirkungen in ihrer
Vielfalt und ihren Entsprechungen bzw. Gemeinsamkeiten auf der Hand liegen, aber
ebenso die „getrennte“ Rezeptionsgeschichte. Dies führt dazu, dass
methodologisch eine Gemeinsamkeit der Kulturen in der „Vorzeit“ ausgeschlossen
wird, anstatt gerade die Gemeinsamkeiten als Gegenstand zu entdecken.14

Nicht erst seit der Globalisierung gibt es aber gegenseitige Kenntnisse der
kulturellen Errungenschaften von Menschen, die zum Teil sehr weit
auseinanderleb(t)en und dennoch eine gemeinsame Praxis der Nutzung hatten.15 Der
Unterschied zwischen diesen Formen der kulturellen Praxis in der „Steinzeit“ und
der heutigen ist oft nur die Geschwindigkeit, mit der Informationen übertragen
werden, nicht aber die Tatsache der Kenntnisse, gemeinsamer Formen der
Anwendung, die es immer gegeben hat und deren Symbole und Zeichen sich daher
auch entsprechen können.16 Diese Gemeinsamkeiten der Mythen und Mythologien
können daher keineswegs nur auf eine condition humaine17 zurückgeführt werden,
sondern haben unmittelbar auch mit der historischen „Migration“ (den
historischen Wanderbewegungen) zu tun. Nicht umsonst lassen sich daher
gemeinsame Vorstellungen von der Unterwelt nicht nur in der Mythologie
Griechenlands und Georgiens auffinden, die seit gut zweitausend Jahren teilweise
durch eine gemeinsame Geschichte mehr oder weniger verbunden sind, sondern auch
den Mythologien Japans.18 Der condition humaine entspricht eher – unter
Einrechnung kultureller Differenzen – die Art der „Dokumentation“ der Mythen.
Gerade diese hat auch weltweite Gemeinsamkeiten aufzuweisen und zeugt davon,
dass es nicht nur Themen, Figuren, Vorstellungen sind, die rezipiert werden,
sondern dass es durchaus auch eine gemeinsame menschliche Praxis gibt, selbst
wenn diejenigen, die diese Praxis ausüben, nicht unmittelbar miteinander
arbeiten, Handel betreiben oder auch nur in einem engeren Austausch stehen.19

2.1. Die historische „Migration“

Bedingt durch die Fortschritte naturwissenschaftlicher Forschungen wurde im 20.
Jahrhundert etwas möglich, das gerade für die Geschichtsschreibung von
revolutionärer Bedeutung war bzw. sein könnte: die Zuordnung von Datierungen,
ohne dass schriftliche Dokumente vorhanden sind. Dies – sowie die DNA-Analysen –
waren wesentliche Voraussetzungen dafür, dass Strukturen herausgearbeitet werden
konnten, die nicht nur der Welt der Sprache und damit oft auch der Welt der
Macht entsprangen. Auf der Grundlage dieser wissenschaftlichen Methoden konnte
nun eine Chronologie der „alten Welt“ entworfen werden, die nicht nur wie im
Falle der Bibel, der antiken Klassiker oder der chinesischen Quellen einige
Tausend Jahre zurückreicht, sondern die neue Dimensionen von Millionen von
Jahren umfaßt:

„Jüngere Untersuchungen fossiler und genetischer Funde lassen darauf schließen,
dass Hominiden bereits vor über 2 Mio. Jahren Afrika verließen. Das gilt
vermutlich schon für den Homo erectus, dann für den Homo habilis bis hin zum
größeren und schlankeren Homo ergaster. Wahrscheinlich waren klimatische
Veränderungen der Hauptbeweggrund für die frühen Wanderungen. Eine Theorie geht
davon aus, dass vor 2-3 Mio. Jahren ein einschneidender Temperaturabfall auf der
Erde dafür sorgte, dass sich in Ostafrika tropische Regenwälder in Savannen
verwandelten. Die Änderung der Vegetation förderte die Entwicklung der Gattung
Homo über den Australopithecus hinaus. Dank der größeren Hirnkapazität, der
geringeren Spezialisierung auf eine bestimmte Nahrung und die größere
Geschicklichkeit im Umgang mit Werkzeugen paßte sich die Gattung Homo schneller
an das offene Gelände an und unternahm bald wertvolle Wanderungen. Anfangs
folgten die Menschen wohl ihrer Beute, den Landsäugern, die ihrerseits mit der
sich ausdehnenden Savanne Richtung Norden und Osten zogen.

Fundstätten des frühen Homo gibt es an verschiedenen Orten in Asien: in
Georgien, in China und auf Java, Indonesien. In Europa tauchten die ersten
Menschen viel später auf (vor etwa 1-1,5 Mio. Jahren) und bis vor 500.000 Jahren
blieb dieser Kontinent auch nur dünn besiedelt.“20

2.2. Georgien und Griechenland

Die Besiedelung von Georgien, das seit der Antike als Teil Europas wahrgenommen
wurde21, erfolgte also viel früher als die anderer Teile. Aber nicht nur das ist
in unserem Kontext wichtig. Auch die kulturelle Entwicklung Georgiens ist
wesentlich früher anzusetzen als die anderer Teile Europas. Während die
kretisch-mykenische Periode um die Zeit 3.000 vor unserer Zeitrechnung (u.Z.)
entstanden sein dürfte, die Einwanderung um ca. 2.000 vor u.Z. erfolgte, gehen
die kulturellen Funde im Kaukasus bzw. in Georgien weiter zurück.22 Beiden
gemeinsam ist eine sehr alte Schriftkultur, was aber von Teilen der Forschung
bisher – ebenso wie die anderen kulturellen Leistungen – nur bedingt
wahrgenommen wurde. So schreibt Harald Haarmann in seinem „Kleinen Lexikon der
Sprachen“, das im Jahre 2001 erschien: „Die schriftsprachliche Tradition des
Griech., die sich in eine alte-, mittel- und neugriechische Periode
untergliedert, ist die längste der Welt. Es sind zwar ältere Schriftsprachen
bekannt (z.B.  Summerisch,  Akadisch,  Ägyptisch), diese sind aber irgendwann
ausgestorben. Die Schrifttradition des  Chinesischen, die gern für die älteste
gehalten wird, setzt erst um 1200 v.Chr. ein, die des Griech.
(Mykenisch-Griech.) aber bereits im 17.Jh.v.Chr.“ 23 Diese Darstellung weicht
nicht nur in Bezug auf das Chinesische von früheren und heutigen Erkenntnissen
ab. Auch das Georgische wird direkt und indirekt unterbewertet: „Die georgische
Schriftsprache gehört mit dem Armen. zu den ältesten Schriftmedien nicht nur der
Kaukasusregion, sondern überhaupt ganz Osteuropas. Die georg. Schrift wurde
entweder noch im 4.Jh. oder zu Beginn des 5.Jh. n.Chr. eingeführt.“24

Diese Darstellung entspricht ganz dem, wie Georgien rezipiert und dargestellt
wurde. In der von Walter Markov herausgegebenen „Weltgeschichte“ wird zwar
ebenfalls darauf verwiesen, dass die „ältesten Spuren von Menschen“ „in
Transkaukasien und im Kaukasus“ waren, doch relevant ist für diese Darstellung
Georgiens nur eine spezifische Form der Staatsbildung: „Im 6./4.Jh. v.u.Z.
entstanden auf dem Gebiet der heutigen G. SSR die Staaten Kolchis u. Iberien.“25
Dagegen fällt im dtv-Lexikon (erschienen 1992) der Beginn Georgiens mit seiner
Existenz als Kolonie zusammen, denn die Darstellung der „Geschichte“ wird
folgendermaßen eröffnet: „Im Altertum stand der westl. Teil G.s (Kolchis) unter
grch., der östl. (Iberien) unter pers. Einfluß.“26

In diesem und in anderen Texten ist ein Auseinanderfallen der tatsächlichen
Besiedelung, der Entwicklung von Kultur (insbesondere auch der Schrift) und der
nachträglichen Darstellungen festzustellen, die sich offensichtlich auch auf die
Rezeption der Mythen ausgewirkt hat. Denn es heißt in dem von Hans Wilhelm
Haussig herausgegebenen „Wörterbuch der Mythologie“, „Götter und Mythen der
kaukasischen und iranischen Völker“: „So ist der griechische Prometheus durch
Vermittlung irgendeines Lehrers in diese Folklore herabgestiegen.“27

Im „Lexikon Georgische Mythologie“ schreibt Heinz Fähnrich dagegen: „Die
Geschichte des georgischen Staates reicht weit in die Vergangenheit zurück. Mit
dem Beginn der späten Bronze- und frühen Eisenzeit in der zweiten Hälfte des 2.
Jahrtausends v.Chr. reiften die Bedingungen für die Entwicklung eines eigenen
georgischen Staatswesens heran […] Kolcha war ein Staat im Westteil Georgiens,
der sich im 12.-11.Jh. v.Chr. herausgebildet hatte und weite Teile der Ost- und
Südküste des Schwarzen Meeres umfasste. Im 8. Jh. erreichte dieser Staat seine
größte Machtfülle. Die Urartäer führten erfolglos Krieg gegen die Kolcher. Doch
gegen Ende des 8. Jahrhunderts wurde Kolcha ein Opfer der von Norden
eindringenden Kimmerer und Skythen. Im 7.-6. Jh. v. Chr. entstanden auf
georgischem Boden neue Staaten, von denen das westgeorgische Königreich Kolchis
(Egrisi) und das ostgeorgische Reich Iberien (Kartli) die größte Bedeutung
erlangten.“28

Aber auch Otto Schönberger verweist in seinem Nachwort zur Hesiodschen
„Theogonie“ auf ganz andere Prozesse: „Bedeutung hatten für Hesiod orientalische
Überlieferungen. Anregungen aus dem Orient strömten nach Hellas bereits im 2.
Jahrtausend v. Chr., vor allem in der mykenischen Zeit, traten in der Folge
vielleicht zurück, um vom 8. Jahrhundert an wieder aufzuleben. Die Wege waren
mannigfaltig: Griechen kamen nach Syrien und Ägypten; das westliche Kleinasien
war Umschlagplatz ost-westlicher Beziehungen, aber auch Kreta und Euböa bildeten
Brücken zum Osten. Böotien erhielt Kenntnis des Alphabets über Chalkis auf
Euböa, wobei die Phöniker als Vermittler auftraten.

Es ist leicht zu denken, dass Vorstellungen des Ostens über die Entstehung der
Welt auf die Griechen Eindruck machten, und vielleicht wirkt der Einfluß des
Ostens bei Hesiod im Mythos von der ersten Frau und der Entstehung des Übels auf
Erden (vgl. Eva).“ 29

In Zusammenhang mit den Datierungen geht es hier offenbar weniger um Fakten (die
unbestritten sind), denn um deren Bewertung und den historischen Hintergrund,
dass seit dem 19. Jahrhundert für die (im wesentlichen: nationale)
Geschichtsschreibung das Alter einer Kultur wesentlich für deren Bedeutung war.
Die zeitliche „Zurückstufung“ von Georgien – sei es durch Auslassungen, sei es
durch widersprüchliche Handhabung von Kriterien – könnte daher durchaus als ein
Akt der Interpretation, der doch etwas mit der Welt Baudolinos und dessen
Vorläufer zu tun hat, verstanden werden. Ungeachtet dessen gibt es aber auch
Veränderungen von Erkenntnissen durch neue Methoden (siehe 1. Abschnitt), aber
auch durch neue methodologische Ansätze. Wichtigstes Moment für die Geschichte
als Überlieferung durch Sprache ist in diesem Zusammenhang der Übergang von der
Mündlichkeit zur Schriftlichkeit und die Tatsache, dass alle Veränderungen in
der Sprachwelt bis zur Dokumentation von Sprache durch Schrift nicht nachweisbar
sind.30 Und auch die Dokumentation der Sprache durch Schrift weist eine Vielzahl
von Problemstellungen auf.

2.3. Der Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit

Zunächst sei also einmal festgehalten, dass wir von der mündlichen Tradition
erst durch die schriftliche Tradition wissen. Wie Naoji Kimura für die
japanische Mythologie bemerkt, sind Mythen in „Erzählungen“ (Mythologien)
überliefert.31 Und er stellt etwas fest, das für alle („alten“) Mythologien
gelten dürfte: Sie sind Dokumente einer Macht – einer Rechtfertigung bzw.
Apologie der Macht.32 Der Mythos wird daher nicht als Mythos überliefert,
sondern indem sich AutorInnen mit Mythen auseinandersetzen, diese im Sinne ihres
Weltbildes umgestalten. Das betrifft sowohl den Übergang von Naturphänomenen zu
Göttern als auch die Namen der Götter sowie deren Taten. Es geht daher
keineswegs nur um verschiedene Varianten der Überlieferungen, sondern um eine –
bis in die neuere Zeit kaum einordenbare – Gestaltung im Sinne von AutorInnen
und Ihrer Zeit bzw. Ihrer AuftraggeberInnen.33

Zu diesen Übergängen von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit existieren zu
verschiedenen Prozessen der Vergangenheit und Gegenwart einschlägige
Forschungen. Strukturell wichtig ist hier aber nur, dass diese Übergänge immer
Veränderungen hervorrufen (auch wenn es sich nicht um die „Dokumentation“ von
Mythen handelt). Die „Dokumentation“ ist also keinesfalls eine „Konservierung“,
sondern das Ergebnis der „Dokumentation“ ist etwas Neues – im konkreten Fall
auch die Entstehung zweier Mythologien aus wahrscheinlich dem selben Mythos.34

2.4. Der Amirani-Prometheus-Mythos

Dies trifft selbstverständlich auch auf die Tradierung des Amirani- bzw. des
Prometheus-Mythos zu. Und gerade in diesem Mythos ist der Übergang einer Macht
zur anderen Macht in radikalster Form dargestellt, womit eine spezifische Form
auch der Darstellung bereits angesprochen ist – die Darstellung eines Mythos im
Übergang von einem Machtkomplex zum nächsten.35

Weiters ist hier bereits die Frage zu stellen, ob es sich bei diesem Mythos um
die Gestalt handelt, oder ob wir unter Mythos nicht etwas anderes verstehen
sollten. Zunächst ist auf jeden Fall festzuhalten, dass es eine Vielfalt von
„Erzählungen“ gibt, die in der Bestrafung eines Helden durch einen Gott
gipfelten. Neben Prometheus und Amirani sind unter anderem im Kaukasus bekannt:
Abersikl (Abchasien), Artawazd (Armenien) und andere.36

Schon bei Aischylos heißt es:
„Mit falschem Namen nennen Dich den Vordenkenden/ Die Götter. […]“ 37

Das könnte darauf verweisen, dass es sich hier um einen alten Gott handelt, der
in einer neuen Mythologie einen neuen Namen erhält (und nicht nur ein neues
Schicksal). Auf eine derartige Möglichkeit wird auch in der Sekundärliteratur
verwiesen (freilich ohne Verweis auf die kaukasischen Traditionen).38

Es stellt sich aber zusätzlich die Frage, ob diese Personalisierungen nicht viel
späteren Ursprungs sind und sie deshalb nicht als die eigentlichen
Mythen-Elemente angesehen werden sollten. Vielmehr könnten die
Personalisierungen erst in der Übergangsphase von der Mündlichkeit zur
Schriftlichkeit erfolgt sein und bereits die Denkweise der Darsteller
widerspiegeln, die Teil der Mythologie auch als einer Neuschöpfung der Mythen
sind.

Wenn wir von der bereits zitierten These von Claude Lévi-Strauss 39 ausgehen,
wären somit zunächst nicht die Entsprechungen der Figuren zu suchen, sondern
vielmehr einzelne Elemente herauszufinden, die eventuell bedeutsam gewesen sein
könnten. Andere Momente, die offensichtlich jüngeren Datums sind und eingefügt
wurden, wären davon zu unterscheiden.40 Und es wäre nicht nur auf die
Gemeinsamkeit und Unterschiede der verschiedenen Varianten einzugehen, sondern
die Widersprüche sollten auch in dem Sinne verstanden werden, dass ihnen
unterschiedliche Erzählstrategien zugrunde liegen, die sich im Laufe der Zeiten
veränderten, überlagerten und nun in den heute bekannten Fassungen auch
widersprechen 41, wobei bei der Bestimmung der Überlagerungen auch immer wieder
auf den Kontext verwiesen werden kann.

2.5. Die Zerstörung des „heidnischen Kultur“ in Georgien

Im Vergleich mit der Aufzeichnung von Mythen gibt es immer wieder herausragende
Unterschiede, die sich auf eine Vielzahl von Momenten kultureller Prozesse
beziehen. So haben die Georgier im Gegensatz zu den Japanern und anderen Völkern
Asiens, die ihre Schriftzeichen von China übernommen haben, ihre Schriftzeichen
nicht von der griechischen Sprache entlehnt oder abgeleitet.42 Der georgischen
Sprache liegt vielmehr eine der ältesten Schriftkulturen der Welt zugrunde. Im
Gegensatz zum Griechischen konnte sich diese Schriftsprache aber nicht frei
entwickeln, da Georgien seit Jahrtausenden ein Land war, das unterdrückt und
dessen Kultur immer wieder zerstört wurde. Eine der wesentlichsten Einschnitte
dürfte die Eroberung durch das Christentum mit sich gebracht haben, durch die
eine Vielzahl von (schriftlichen) Quellen zerstört wurde (eine Politik, die das
Christentum weltweit betrieben hat und im Kaukasus einen ihrer Höhepunkte
fand).43

Dennoch hat sich das Christentum bis heute in Georgien ebenso wie in anderen
Teilen der Welt nicht zur Gänze durchgesetzt. Wie auch in vielen anderen Ländern
haben sich die „heidnischen Traditionen“ mit den christlichen Traditionen
vermischt. Und auch im heutigen religiösen Leben Georgiens sind die alten
„heidnischen“ Bräuche noch lebendig.44

Dies führte aber auch zu spezifischen Formen der Tradierung. Während die
griechische Mythologie über rund 2.800 Jahr schriftlich und nahezu ungebrochen
überliefert werden konnte, gibt es im Georgischen weitgehend eine mündliche
Tradierung, womit die Veränderungen wesentlich schwerer bis gar nicht
nachzuvollziehen sind und vor allem vieles von der Kenntnis der alten Götterwelt
verloren ging, die zwar nicht für den Mythos, wohl aber für die Mythologie von
Bedeutung gewesen wäre.45

2.6. Die unterschiedlichen Tradierungen

Wichtig für die Analyse der Amirani-Prometheus-Mythologien ist weiters, dass es
im Gegensatz zu den griechischen Darstellungen von Prometheus keine nennenswerte
literarische Darstellungen Amiranis gibt.46 Wie wir sehen werden, verändert sich
zwar die Prometheus-Mythologie von Homer über Hesiod und Aischylos bis Ovid,
aber der Stoff bleibt doch über viele Jahrhunderte erhalten und erfährt
spätestens seit der Aufklärung eine grundlegende Renaissance und bleibt gerade durch
die genannten Autoren über Jahrtausende präsent. Weiters ist in diesem
Zusammenhang wichtig, dass die Veränderungen der griechischen Mythologie
nachvollzogen werden, indem die unterschiedlichen Texte (und auch noch
weitere) verglichen werden können. Wenn auch von den griechischen Texten nicht
alle erhalten sind, die Übersetzungen recht unterschiedlich gestaltet wurden 47,
so lassen sich doch zumindest seit Homer Strukturen nachvollziehen.

Anders stellt sich dies jedoch bei der Amirani-Mythologie dar, die ihre
Rezeptionshöhepunkte im 19. und 20. Jahrhundert hat. George Charachidzé schreibt
in diesem Zusammenhang auch von „le mythe de Prométhée et la geste d’Amirani“
48, obwohl er über Hunderte Seiten den mythischen Charakter von Amirani und
Prometheus untersucht. Wir wollen uns daher zunächst einmal diesen
Überlieferungen (Mythologien) in ihren griechischen und kaukasischen Varianten
zuwenden, um abschließend die unterschiedlichen Elemente wie potentielle Mythen
bzw. Überlagerungselemente in Mythologien zu untersuchen.

2.7. Mündliche und schriftliche Traditionen

Ausgewählt werden hier nur einige Beispiele, um zu zeigen, wie der Stoff – von
dem wir nicht einmal wissen, was er vor seiner schriftlichen Mythologisierung
überhaupt umfasste (siehe Abschnitt 1) – in den ersten Jahrhunderten gestaltet
wurde. Angedeutet wird hier nur, dass es eine Vielzahl von weiteren Mythologien
gibt, auf die sich Amirani und Prometheus beziehen (könnten), wobei die
Überlieferung der schriftlichen Literatur einen deutlichen Einschnitt im 5.
Jahrhundert (der Christianisierung) aufweist 49:

2.7.1. Prometheus: Griechische und lateinischen Quellen

Bereits in den Epen von Homer (etwa 8. Jahrhundert v.u.Z.), dessen Quellen bis
etwa ins 2. Jahrtausend vor u.Z. zurückreichen, wird Prometheus erwähnt.50 In
der Theogonie von Hesiod (etwa 740 und 670 v.u.Z.) nimmt Prometheus eine
zentrale Stellung ein 51. Aischylos (525 bis 456 v.u.Z.) widmet ihm eine
Trilogie, die mit seiner Fesselung an einer Felswand „Der Erde äußerstes Geländ“
52 beginnt, mit der Entfesselung fortgesetzt wird und ihren Höhepunkt in einem
dritten Teil (mit Prometheus als Träger des Wissens?) ihren Höhepunkt gefunden
haben könnte.53 In den Metamorphosen von Ovid (43 v.u.Z und etwa 17 n.u.Z.),
die auch als „Enzyklopädie der Mythologie“ 54 angesehen wird, ist Prometheus als
Schöpfer der Menschen dargestellt:
Und es entstand der Mensch, sei’s, dass ihn aus göttlichem Samen
Jener Meister erschuf, der Gestalter der besseren Weltform,
Sei’s dass die Erde, die jugendfrische, erst kürzlich vom hohen
Äther geschieden, die Samen, himmelsverwandten, bewahrte.
Denn sie mischte der Japetus Sohn mit dem Wasser des Regens,
Formte sie dann nach dem Bild der alles regierenden Götter.
Während die anderen Wesen gebückt zur Erde sich neigen,
Ließ er den Menschen das Haupt hochtragen: er sollte den Himmel
Sehen und aufgerichtet den Blick nach den Sternen erheben. 55

In der Fachliteratur heißt es zu den griechischen Quellen: „Es gibt verschiedene
kleine Abweichungen; Hesiod beschreibt die Gegend nicht im einzelnen, und
während andere Autoren den Kaukasus nennen, verlegen einige, darunter Aischylos,
die Szene anderswohin; nach Aeschyl., frag. 193, 10 N² kam der Adler jeden
zweiten Tag, nicht jeden Tag; es war ein Sprössling des Typhon und der Echidna
(Perechyd. i. Schol. Zu Apoll. Rhod. II 1249) oder wurde besonders von
Hephaistos angefertigt (Hygin., astron. II 15, der aber auch erzählt, daß er ein
Kind der Ge und des Tartarros sei). Es ist zu bemerken, daß die ganze Erzählung
Anzeichen für [eine] verhältnismäßig junge Entstehung aufweist. Die Bestrafung
erinnert entfernt an diejenige verschiedener Riesen, die unter Bergen gefangen
lagen; der für den Adler zum Zerreißen gewählte Teil ist die Leber, die man in
der Antike für den Sitz der Leidenschaft hielt. Diese Einzelheit erinnert an die
Strafe des Tityos, dessen Verbrechen die Begierde war. In der Tat behauptete der
Historiker Duris von Samos (Schol. zu Apoll Rhod. AaO), daß Prometheus‘ Vergehen
seine Leidenschaft für Athena gewesen sei.“ 56

Während in dieser Darstellung von „junger Entstehung“ gesprochen wird (wobei als
Begründung die „entfernte“ Entsprechung zur Bestrafung von Riesen angeführt
wird), schreibt Aischylos von 30.000 Jahren, die Prometheus angekettet war, also
doch wesentlich vor der Entstehung der Epen Homers.57

Würde man von der Zeitangabe Aischylos‘ ausgehen, wäre die Hypothese, dass sich
in der Ankettung die Eroberung Griechenlands vor ungefähr zweitausend Jahren vor
u.Z. widerspiegelt, hinfällig.58 Aber auch wenn man diese Zeitangabe von 30.000
Jahren als Metapher nimmt, so wäre dies ein Hinweis auf das Alter des Mythos,
der in diesem Falle sehr, sehr weit zurückreichen müsste (aber nicht seine
konkrete Ausgestaltung in der Art der Ankettung und noch späteren Befreiung, die
mit dem Zeitalter des Eisens bzw. der „Regentschaft“ von Zeus verbunden war,
gewesen sein müsste).

Dies bestätigt aber andererseits auch teilweise die These, dass wir es bei dem
„Prometheus-Mythos“ nicht mit einer geschlossenen Darstellung zu tun haben,
sondern mit einer Vielzahl von Elementen, die auf unterschiedliche Weise
aufeinander bezogen sind.59 Darauf wird in den Abschnitten 3. und 4. dieser
Arbeit noch zurückzukommen sein.

Zu den Mythologien möchte ich hier auch noch einen Exkurs einfügen: Ovid schrieb
über sein Werk „Metamorphosen“ als er ans Schwarze Meer verbannt war,
Verszeilen, die an die lebendig Begrabenen 60 Amirani/ Prometheus erinnern:
Wisse – zu freundlichem Urteil -: nicht sind sie ediert von dem Dichter,
Sondern entrissen dem Tod, als man ihn lebendig begrub! 61

Der wesentliche Unterschied aber war, dass Ovid seine Zeit am Schwarzen Meer
verbüßte, während nach einigen Mythologien Amirani bzw. Prometheus unter
gewaltigen Gebirgen begraben wurden – aber auch sie – wie Ovid – verstoßen von
neuen Herrschern.

Prometheus ist bei Ovid auch eine positive Gestalt, von der nicht die Gefahr
ausging, dass sie den Untergang der Welt herbeiführt, sondern die Teil des
Schöpfungsaktes war (auch dies eine wesentlich Vordatierung im Vergleich mit
sonstigen Darstellungen der Götterkämpfe).

2.7.2. Amirani: Hinweise und Texte

Die Überlieferung der Amirani-Texte wurde weitgehend im Buch „Prométhée ou le
Caucase“ von George Charachidzé aus dem Jahre 1986 zusammengefasst 62, wenngleich es etwas mühsam ist, den Prozess nachzuvollziehen, da die Bemerkungen zu den Nachrichten und Publikationen quer durch das Buch verstreut und nicht
widerspruchsfrei sind, da im Schreibprozess auch neue Erkenntnisse verarbeitet
wurden. Ich werde daher versuchen, hier aufgrund seiner Ausführungen im
genannten Buch eine Chronologie wiederzugeben, die etwa drei- bis viertausend
Jahre vor u.Z. mit den ersten kulturellen Kontakten zwischen Georgiern und
Griechen beginnt und von Charachidzé unter dem Gesichtspunkt des
Amirani-Prometheus-Mythos diskutiert wird:
„Des faits cultureles du même ordre organisés en séries bien fourniers, les
données linguistiques et les résultats des fouilles archéologiques engagent à
tenir pour assurée la réalité d’une très vieille et longue cohabitation entre
groupes caucasiques méridionaux et groupes d’origine indo-européenne. La
comparaison interne au monde caucasien nous permet de situer ces contacts dans
le temps: ils sont nécessairement antérieurs au IIe millénaire avant J.-C. Les
archéologues géorgiens se veulent plus précis, et placent cette période de
voisinage et de collaboration culturelle entre le fin du IVe et du IIIe
millénaires.“ 63

An anderer Stelle geht Charachidzé vergleichend auf die Mythologien ein:
„En effet, la culture géorgienne archaïque n’a pas cherché à isoler et à
analyser la fonction intellectuelle, comme l’ont fait par exemple les
Scandinaves, les Ossètes ou les Grecs, avec ces mécanismes mentaux personnifiés
que sont les couples Mimir/Loki, Satana/Syrdon, Mêtis/Prométhée. Ces
distinctions et ces regroupements opérés par les Indo-Européens s’insèrent dans
la vaste division de l’univers en trois secteurs complémentaires, régis et
orientés respectivement par la souveraineté, la force et la fécondité, chacune
de ces provinces cosmiques et sociales correspondant à un type et à un champ
d’activité bien définis. En Géorgie deux domains, avec leurs modes d’action
propres, suffisent à épuiser la variété des conduites humaines: religion et
force combattante. Cette répartition n’est pas nouvelle: le témoignage de
Strabon atteste qu’elle est vieille d’au moins deux millénaires, et elle
conservait son actualité et sa vigueur au début de ce siècle, alors que
survivait encore la société traditionelle arec ses conceptions fondamentales.“64

Aber diese zeitlichen Darstellungen sind nicht widerspruchsfrei. Zu den Kolonien
schreibt Charachidzé (ohne Berücksichtigung von Homer und anderem):
„C’est, en effet, à partir du VIIe ou du milieu du VIe siècle avant J.-C. que la
colonisation grecque se fait intensive et ininterrompue sur les rives orientales
de la mer Noire, notamment en Colchide, qui correspond en gros à l’actuelle
Géorgie occidentale, augmentée de l’Abkhazie et de la Svanétie. A cette époque,
il s’agit moins d’une colonisation de peuplement que de l’établissement
d’emporia, de comptoirs commerciaux fixes, mais à l’écart des agglomérations
autochtones: en somme, de véritables «factoreries» (comme en établiront quelque
deux mille ans plus tard les marchandes tatares sur le littoral des principautés
circassiennes). Les emporia se situent en dehors des cités proprement dites,
comme l’attestent des fouilles archéologiques récentes, et il faut attendre
l’époque hellénistique pour voir se mêler les demeures indigènes et coloniales,
s’élaborer ces cultures mixtes si caractéristiques. Si donc les contacts
réguliers et prolongés entre Grecs et Colques ne sont attestés qu’à partir du
VIIe siècle dans des villes comme Phasis et Dioscurias, le mythe de Prométhée
n’a pu être importé du Caucase, puisqu’il était déjà connu et diffusé en Grèce.
Les poèmes hésiodiques sont génE9ralement datés du milieu (ou de la fin?) du
VIIIe siècle […] 65

Nochmals kommt Charachidzé an anderer Stelle auf Strabon zurück, an der angibt,
dass die „Legende“ im Kaukasus entstanden sein könnte:
„Toute une tradition grecque atteste que les habitants du Caucase connaissaient
et tenaient pour leur un mythe similaire à celui du Prométhée grec. Plusieurs
auteurs de l’Antiquité étaient même convaincus que la légende était née en
territoire caucasien, tels Strabon, Flavius Arrien, Philostrate, etc.“ [Anm. bei
Charachidzé: Strabon, Géographie, IV, 183; XI, 505; XV, 688 – H.A.] 66

Wie immer nun aber diese und andere Texte vom Mythos bewertet werden, fest
steht, dass die Rezeptionsgeschichte des Mythos und der Mythologie recht
unterschiedlich verlaufen ist. Während die Quellen bzw. die Mythologie von Amirani
nur wenige Textstellen umfassen, entstehen seit der Aufklärung
Tausende Seiten von Texten über Prometheus. Charachidzé: „Pour Amirani, c’est
tout le contraire. Malgré son immense popularité, le héros enchaîné ne semble
pas avoir inspiré les exégètes. Et les études qu’on lui consacrées restent, par
leur petit nombre et leur volume généralement réduit, sans commune mesure avec
sa renommée. On citera notamment les contributions d’un chapitre ou d’un
article, dues à G. Dumézil, I Dzhavaxishvili, D.M. Lang. Ce n’est Qu’en 1947 que
M. Tchikovani publie son Amirani enchaîne (Midzhaç’vuli Amirani), qui rassemble
et analyse les composantes essentielles du dossier géorgien. L’auteur a repris
et amplifié les travaux de 1947, à l’occasion d’une version russe remaniée,
parue en 1966. Cette étude folklorique de grande envergure réunit vingthuit
variantes importantes et aborde la plupart des problèmes que pose la
compréhension de la geste géorgienne, y compris ceux qui engagent la comparaison
avec la mythologie grecque. Ouvrage de référence, le livre de M. Tchikovani
demeure un outil indispensable à quiconque désire se familiariser avec l’épopée
d’Amirani: j’y ai souvent recours comme la suite le montrera, et il es probable
que la présente enquête n’aurait pas été entreprise si n’avait existé cet
inventaire très complet. Il faut y ajouter la belle étude que E. Virsaladze a
consacrée à l’Epopée cynégétique des montagnards géorgien et à ses liens avec la
geste d’Amirani.“ 67

Sowohl Tschikowani 68 als auch Charachidzé 69 verweisen auf rund 150 bzw. 200
Varianten, von denen Charachidzé in seinem Anhang 48 in Konkordanz zu
Tschikowani und anderen Ausgaben aufweist. 70 Zu Momenten der oralen
Überlieferung (vor allem im Zusammenhang mit dem Feuer) schreibt Charachidzé:
„La bonne foi des conteurs n’est pas mise en doute, mais seulement la qualité et
l’ancienneté de la source leur imposant cette conviction. Il est à caindre que
celle-ci ne provienne des questionneurs du passé, trop enclins à susciter la
réponse espérée. D’autant plus que les érudits de la fin du XVIIIe et du XIXe
siècle étaint ceux-là mêmes qui découvraient, traduisaient, et diffusaient la
mythologie antique ressuscitée, avec un enthousiasme louable, mais inquiE9tant
pour la science folklorique. On peut penser que certains d’entre eux ont
involontairement suggéré à des conteurs populaires l’idée que le héros enchaîne
avait dérobé le feu céleste. A partir de cette innocente ingérence, la
conviction a dù être diffusée et entrer dans la tradition orale.“ 71

Damit verweist er auf die allgemeine Problematik des Übergangs von der
Mündlichkeit zur Schriftlichkeit, die sich auch im Zusammenhang mit den
Sammlungen in anderen Europäischen Ländern ergaben. In Deutsch sind entweder nur Kurzfassungen vorhanden, deren Auswahl nicht ohne Tendenz ist 72, bzw. dann aus dem Jahre 1978 eine umfangreiche Ausgabe mit 179 Seiten und einem langen
Nachwort von Tschikowani mit dem Titel „Das Buch vom Helden Amirani. Ein
altgeorgischer Sagenkreis“.73 Es ist ein Versuch eines Experten, der sich über
Jahrzehnte mit dem Gegenstand beschäftigt hat, die vielen Varianten
zusammenzufügen, ohne sich jene schriftstellerischen Freiheiten der Gestaltung
zu nehmen, die offensichtlich seit rund 2.700 Jahren den Stoff des Prometheus
populär gemacht haben. Trotzdem verbleibt die Zusammenstellung nicht
unproblematisch, da die (ausgewiesene) Bearbeitung als solche nicht
nachvollziehbar ist. Auf jeden Fall ist „Das Buch vom Helden Amirani“ eine
Neuschöpfung und eher an der Erzählweise des Mittelalters orientiert, denn eine
kritische Ausgabe (zumindest in Hinsicht auf die Erzählstruktur von
Mythologien). 74

2.8. Beispiele: „Entlehnungen“ der Griechen

Prometheus ist nicht das einzige Beispiel der Darstellung des Kaukasus bzw.
Georgiens in der Literatur der Griechen. Im Stück „Der gefesselte Prometheus“
von Aischylos kommt auch Io vor, die vor Hera flüchten muß.75 Ganz prominent –
und ebenfalls über die Jahrhunderte erhalten – sind aber die Argonauten, das
Goldene Vlies, Medea.

Hingewiesen sei darauf, dass nicht nur mit der griechischen Medea, sondern auch
in Amirani-Überlieferungen 76 eine Frauengestalt erhalten blieb, die sich gegen
die eigene Familie wandte. Aber auch die Frauenfeindlichkeit in einer Reihe von
griechischen und georgischen Texten deuten auf den Übergang vom Matriarchat zum
Patriarchat hin.77

Neben diesem Übergang, der ebenfalls vor allem im 19. Jahrhundert wiederentdeckt
wird, dem umfangreiche wissenschaftliche Arbeiten gewidmet werden, aber auch
Stücke wie die Libussa von Franz Grillparzer (der sich überhaupt mit dieser Zeit
des Übergangs vom Matriarchat zum Patriachat sehr intensiv auseinandergesetzt hat), sind auch die anderen Themen (Gold, Macht, Magie usw.) dem „Rand der Welt“ gewidmet – mit Medea, den Argonauten, dem Goldenen Vlies aber deutlich erkennbar aus der Zeit der „Kolonialisierung“ von Kolchis, einem wesentlichen Teil des heutigen Georgiens, das als Georgien im Eigentlichen nicht mehr existiert.

Obwohl zum Teil ähnliche Themen verwendet werden, sind die literarischen Texte
doch profaner (trotz aller zentraler nicht-profaner/ phantastischer Elemente).
Der Raub des Goldenen Vlies könnte wie eine Metapher auf den Umgang der
Mächtigen mit den Schätzen der Welt gelesen werden – und den Folgen die dies
zeitigt.

2.9. Stichworte: Rezeption des Amirani/ Prometheus-Mythos

Wie sich aus diesen Andeutungen ergibt, braucht die
Amirani-Prometheus-Mythologie daher nicht für sich gelesen zu werden, sondern
diese Lektüre sollte vielmehr im Kontext der Analyse von Herausbildungen neuer
komplexer Weltanschauungen als Prozesse vor sich gehen. Die Betonung der
Prozesshaftigkeit ist in diesem Kontext deshalb wichtig, weil sich nicht ein
Mythos an sich durchsetzt, sondern in der bisherigen Mythen-Rezeption (nicht:
Stoffrezeption in der literarischen Tradition) die Kernelemente unklar bleiben
und sich wandeln. Auch haben wir gesehen, dass die Trägerelemente nicht gleich
sind, sondern im einen Fall die Literatur zur Öffentlichkeit verhilft, im
anderen Fall die Wissenschaft zur Tradierung.

Die Amirani-Mythologie wurde zum Beispiel bisher vorwiegend von der Wissenschaft
rezipiert (s. auch Anmerkung 74). Ihre Basis sind die mündlichen Überlieferungen
im Kaukasus. Amirani, Aberskil, Artawazd usw., aber auch andere Mythologien, die
mit ihnen in Verbindung stehen, kommen in einschlägigen Nachschlagewerken und
Dokumentationen vor. Charachidzé betont immer wieder den Auseinanderfall der
Berühmtheit (sprich: Volksüberlieferung) und den Nicht-Eingang in die
Schriftkultur bzw. die literarische Tradition. Das gilt bis heute und die durch
die Tradierung bedingten Zuordnungen dürften für eine breitere
Auseinandersetzung kaum hilfreich sein. Es kommen in der Region um den Kasbegi,
an den Amirani/Prometheus nach verschiedenen Varianten ankettet worden sein soll
(in einer der Varianten: am Drachenfelsen), keinerlei Hinweise vor. Aber auch in
vielen scheinbar einschlägigen Nachschlagewerken fehlt die Verbindung, ebenso
wie der Hinweis auf die Eroberungen und die alten Kulturen und deren Götter
fehlen.

Dagegen ist die Prometheus-Rezeption von Anfang an mit zentralen Werken der
Griechen verbunden. Aber auch in der späteren Zeit – vor allem mit der
Aufklärung – ist die Prometheus-Rezeption mit großen Namen verbunden: Goethe,
Beethoven, André Gide, Franz Fühmann, Walter Grond, Gorki, Makarenko, Hermann
Bahr, René Char, Carl Orff, Sigmund Freud, E.T.A. Hoffmann, Alexander Skrjabin,
Volker Braun, Heiner Müller und mit vielen anderen.

In diesem Kontext zeichnen sich zwei grundsätzlich unterschiedliche
Rezeptionslinien ab – bei allen Entsprechungen, die herausgearbeitet wurden.
Amirani ist der Held einer „heidnischen“ Kultur, die bis heute im Kaukasus eine
große Lebendigkeit hat 78, aber Amirani gehört weder zu den staatstragenden
Gestalten, die auch heute noch die Plätze in Georgien prägen, noch ist er – als
Sinnbild vor allem auch roher Kraft – eine Leitfigur für Künste und
Wissenschaften geworden, sondern bloß ein Gegenstand der Rezeption.

Das unterscheidet ihn in der Rezeption grundsätzlich von Prometheus, in dessen
Rezeption bis Ovid mehr und mehr das Schöpferische in den Vordergrund trat und
seitdem den Hauptaspekt bildet. Und diese Art der Prometheus-Rezeption – die
Auseinandersetzung mit der Position des Intellektuellen – prägt auch die
Rezeption in Europa seit der Aufklärung. Amirani hingegen harrt noch seiner
Entdeckung, wobei die Herausgabe einer kritischen Überlieferung nicht nur in
georgischer, sondern auch anderer europäischer Sprachen wahrscheinlich hilfreich
wäre und die Dimensionen der Mythologie deutlich machen können, in der sich
Mündliches offensichtlich über einen sehr langen Zeitraum tradiert hat.

2.10. Exkurs: Heutige Interpretationen „griechischer“ Kultur

Heutige Interpretationen der griechischen Kultur, ihrer Entstehung und
Entfaltung gehen durchaus auch von dem aus, was bei Charachidzé zu finden ist:
die griechische Kultur als eine „Mischkultur“, der Reichtum einer Kultur, der
sich dadurch entwickelt, dass sie zu integrieren versteht. Thesen, die von
prominenten Forschern wie Martin Bernal79 vertreten und einer breiteren
Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Längst sind nicht nur die asiatischen,
sondern auch die afrikanischen Bezüge entdeckt worden80, die es zudem auch
sowohl in der Prometheus – als auch in der Amirani-Mythologie – für die
„mythologische Zeit“ gibt.81

Diese breitere Perspektive, das Interesse an den tatsächlichen Kulturprozessen,
die sich in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts mehr und mehr auch institutionell
von der Machtlegitimation der Wissenschaften in Europa ablösten, eröffnet nun
einen ganz anderen Blick, dem in Zeitbestimmung, Archäologie, Interpretation
seit den letzten Jahrzehnten auch völlig neue Instrumente zur Verfügung stehen.
Die Bahn ist nun gebrochen. Ein neues weites Forschungsfeld eröffnet sich, das
auch die regionalen Leistungen in ihren komplexen (überregionalen) Wirkungen
sichtbarer machen kann.

3. Mythos als Fragment

Wenn wir von Claude Lévi-Strauss ausgehen 82, dann wird es nun darauf ankommen,
mythische Elemente zu benennen. Für den Rückbezug auf Afrika, wie er in der
heutigen Forschungsliteratur immer wieder verwendet wird, wird es dabei nicht
ausreichen, Tiere und Landschaften zu benennen. Tatsächlich lassen sich diese
Bezüge auch leicht ausfindig machen. Aber ihre Einbeziehung zur Bestimmung der
Mythen ist ebenso problematisch wie die von Göttern, da sie durchaus auch
jüngeren Datums sein können. Dagegen gibt es einige Elemente, die für die
Mythen-Bildung weltweit mehr oder weniger von Bedeutung sind: Feuer, Wasser,
Berge, auf die ich mich hier beschränke.

3.1. Feuer

Die Verbindung der Prometheus-Mythologie zum Feuer ist eindeutig. Es lassen sich
hier jedoch verschiedene Überlagerungen finden – zum Beispiel das Feuer des
„Goldenen Zeitalters“ und das Feuer des „Eisernen Zeitalters“. Der Konflikt
bricht in den meisten Fassungen mit dem „Eisernen Zeitalter“ auf. 83

Bei den Amirani-Mythologien spielt jedoch nicht in jedem Fall das Feuer eine
Rolle. Die Unterschiede zwischen Amirani und Prometheus hat Charachidzé in
diesem Kontext umfangreich dargelegt.84 Und im „Buch vom Helden Amirani“ kommt nur die Variante aus dem „Eisernen Zeitalter“ vor. 85

3.2. Wasser

Dagegen spielt bei Amirani das Wasser eine zentrale Rolle (hingegen nicht bei
Prometheus). Wie Charachidzé zeigt, sind dies aber durchaus mögliche
Entsprechungen.86

3.3. Berge

In beiden Mythologien wird der Unterworfene entweder an einen Felsen geschmiedet
57oder überhaupt auch vom Berg bedeckt. Der Ort ist nicht immer ident. Unter
anderem kommen als Orte der Bestrafung vor: der Mquinvari (Kasbegi)87, der
Elbrus oder auch einfach der Kaukasus, dem beide Berge angehören. Wichtig ist,
dass in jedem Fall der Berg am oder als Rand der Welt eine zentrale Rolle
spielt.88 60

3.4. Andere potentielle Elemente

Eventuell ließen sich auch andere potentielle Elemente ausfindig machen: der
Kampf der Geschlechter, Tiere usw. Wichtig ist aber in diesem Aufsatz nicht, die
einzelnen Elemente im Detail zu identifizieren und ihre Identität auszuarbeiten, sondern Anstoß für einen transnationalen und transdisziplinären Diskurs zu geben und dabei einige mögliche Felder abzustecken.89

4. Die Überlagerungen

Bei Charachidzé wird immer wieder auf die Widersprüche innerhalb der
Amirani-Prometheus-Mythologie hingewiesen.90 Um zu zeigen, welche Bedeutung die Unterscheidung zwischen Mythen und Mythologien hat, werde ich versuchen, hier
kurz einige Themenkreise anzudeuten.

4.1. Die alten Mächte

Gemeinsam ist der Amirani- und Prometheus-Mythologie weitgehend, dass alte
Mächte brutal gestürzt werden. 24Es lassen sich seit dem 8. Jahrhundert v.u.Z. dann auch deutliche Verschiebungen ausmachen. Anders formuliert: deutlich werden durch die Analyse der Rezeptionsgeschichte auch Verfahren der Veränderungen. So wird das Schicksal von Kronos zum drohenden Schicksal von Zeus. Auch
Namensverschiebungen lassen sich feststellen. Zum Beispiel von Zeus zu Jupiter. Wichtig ist aber, dass Amirani bis heute nicht befreit wurde, während Prometheus von Herakles (unter Zustimmung des Zeus) entfesselt wurde.91 Die Entfesselung wurde als Übergang von der nackten Gewalt zu einer Herrschaft in Verbindung von Macht und Recht gewertet.92 Überhaupt wurden in der griechischen Mythologie
schon früh alte Götter von Zeus mit Herrschaftsbereichen betraut.93 In der Amirani-Mythologie entstand aber die Polarität Christus-Amirani. Und Christus weist nun im Kaukasus die Züge des diktatorischen Zeus auf.94

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Charakterisierung von Amirani,
Prometheus – und selbst dem Hund 33von Amirani. Wie im Roman „Der Namen der Rose“95 von Umberto Eco die Anrufung des Anti-Christen mit den Morden einhergeht, so geht der Bestrafung von Amirani bzw. Prometheus ihre Dämonisierung voran. Sie werden als potentielle Zerstörer der Welt dargestellt, als Ausbund der Gewalt, die es zu bändigen gelte.96

Somit stellen diese Mythologien auch erste Dokumente der Konstruktion von
Feindbildern dar und zeigen, wozu sie gebraucht werden: zur Gefangennahme und
Folterung des Gegners. Aber im Gegensatz zu heutigen Mächten waren sich die
Mythologien bewusst, dass auf diese Weise ein Gegner nicht zu vernichten ist.
Sowohl Amirani als auch Prometheus sind unsterblich. Es können Ihnen
unvergängliche Qualen zugefügt werden, aber es ist nicht möglich sie zu
vernichten. Erst der Ausgleich zwischen Zeus und Prometheus macht den Weg zur
Sicherung der Macht von Zeus frei.

4.2. Die Gewalt der Frauen

Sowohl bei Medea, die Jason, als auch bei Qamari, die Amirani liebt, ist
auffällig: die Geliebten kommen aus fernen Ländern und die Frauen verhelfen
ihren Geliebten zum Sieg (im Falle von Amirani: der Tötung ihres Vaters, was
Amirani nicht vermocht hätte, wenn Qamari ihm nicht das Geheimnis verraten
hätten, wie dies zu geschehen hat97). 44 Spielt in der Medea-Mythologie der Schatz eine wesentliche Rolle, so ist es in der Amirani-Mythologie die Geliebte selbst. Qamari ist es auch, die Amirani nach der Schlacht, die mit dem Tod seiner beiden Brüder und seinem Selbstmord endet, wieder zum Leben erweckt.

Auch bei der Motivierung gibt es Unterschiede: von Qamari wird gesagt, dass sie
von ihren Eltern schlecht behandelt worden sei, bei Medea steht jedoch die Liebe
zu Jason im Mittelpunkt. Beides sind aber individuelle Motive und entsprechen
keineswegs der Struktur der Mythologien. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie
die Abkehr vom Matriarchat zum Patriarchat mit anderen Auseinandersetzungen im
„Zeitalter des Eisens“ überlagerte.

4.3. Drachen und andere Monster

Amirani hat Kämpfe mit Drachen und anderen Monstern zu bestehen. Von Katérina
Stenou wurde gezeigt 98, wie Feinde sich in derartige Monster verwandeln. Und
die Darstellung enthält ganz offensichtlich vielfältige symbolische Elemente.
Zugleich könnte dies aber auch ein Rückverweis auf alte Erfahrungen der
Menschheit sein, die als Mythen überliefert wurden und die (wahrscheinlich auch
nicht nur einmal) in der Überlieferung transformiert wurden.99

4.4. Das Eisen (Ovid)

Charachidzé hat das widersprüchliche Verhältnis von Amirani zu den Schmieden
herausgearbeitet.100 Aber auch in der Prometheus-Mythologie gibt es
unterschiedliche Varianten das Verhältnis von Prometheus zum Schmid Hephaistos
betreffend. Verschiedene Elemente dieser Mythologien klingen in Ovids
Metamorphosen an:
„[…] Das letzte Geschlecht ist von Hartem
Eisen. Da brachen sogleich in die Zeit des geringern Metalles
Jegliche Frevel; es flohen die Scham, die Wahrheit, die Treue.
Dafür erwuchsen die Laster: Betrug und allerlei Ränke,
Hinterlist und Gewalt und die frevle Begier nach Besitztum.
Segel bot man den Winden – noch kannte der Schiffer sie wenig -,
Und die Kiele, die lang in den hohen Gebirgen gestanden,
Munter tanzten sie jetzt auf unbekannten Gewässern;
Und der Boden, der früher Gemeingut war wie die Lüfte,
Und wie das Licht, jetzt ward er genau mit Grenzen bezeichnet.
Nicht nur Saaten verlanget der Mensch vom üppigen Boden,
Nahrung, die zu gewähren der schuldete, nein, in der Erde
Tiefen drang man, die Schätze zu graben, Lockmittel des Bösen,
Die sie im Innern verwahrte, zunächst bei den stygischen Schatten.
Schon ist das schädliche Eisen erschienen und schlimmer als Eisen,
Gold; nun erscheint auch der Krieg […]“ 101

Es geht also auch in diesem Kontext nicht um ein individuelles Verhältnis,
sondern mit den Schmieden erscheint das „Eherne Zeitalter“, die Schmiede sind
ihr Symbol. Die Widersprüche in der Amirani-Mythologie 102 ergeben sich
offensichtlich daraus, dass die Schmiede erst später dazu kommen – ebenso wie
Christus. Die Schmiede verweisen aber auch auf die Zeit der Kolonisierung von
Kolchis, die mit dieser „Eisernen Zeit“ zusammenfällt 103, mit der auch die
„kleine Globalisierung“ beginnt. Und wiederum – wie dann im 15. Jahrhundert –
sind es die Schiffe, die eine zentrale Rolle spielen.

4.5. Das „Goldene Zeitalter“ der Bergbewohner

Amirani, denunziert als Ausbund des Ehernen Zeitalters, ist aber zugleich auch
die zentrale Hoffnungsgestalt des „Goldenen Zeitalters“ der Bergbewohner. Wird
einerseits in vielen Varianten festgehalten, dass bei seiner Befreiung die
Vernichtung folgen würde, so haben zum Beispiel die georgischen Bergbewohner
eine ganz andere Perspektive. Mit der Befreiung Amiranis würde das „Goldene
Zeitalter“ anbrechen.104

5. Der Rand der Welt

Zu einem großen Teil hat sich dieser Beitrag nun bei der Sammlung von Indizien
zur Annäherung an Mythen und Mythologien in der Welt der Sprache bewegt,
wenngleich auch auf archäologische Funde und anderes verwiesen wurde. Aus der
Welt der Sprache stammt auch der Begriff „Der Rand der Welt“ oder „Das Ende der
Welt“. Mit scheint gerade im Zusammenhang mit dem europäischen Bewusstsein sehr
wichtig zu sein, dieses Sprachelement noch näher zu untersuchen.

5.1. Theodor Kramer: Rand der Welt

Am 24.8.1949 schrieb Theodor Kramer, der sich zu dieser Zeit immer noch im Exil
in England befand, ein Gedicht mit dem Titel „Schlaflied vom Rand der Welt“ 105,
das folgende Zeilen enthält:
Der Rand der Welt ist immer da,
ist weit hinter Afrika,
ist ferner, als die Sterne glühn,
und doch ist, wo die Malven blühn
schon auch der Rand der Welt.

Auch in diesem Gedicht ist der Begriff „Rand der Welt“ mit Schrecknissen
behaftet:
Gleich hier im Uhrgehäus‘, da tickt,
im See, in den der Fischer blickt,
im Kummer, der den Vater frisst,
ganz anderswo für jeden ist,
mein Kind, der Rand der Welt.

Dieses Motiv wird später von Wenzel mit „Lied am Rand“ aufgegriffen.106 Es zeigt
sehr deutlich die Verschiebung, bei der nicht mehr die große Distanz, die
schreckenserregenden Dimensionen der Bergwelt im Mittelpunkt stehen, sondern das
individuelle Schicksal.

5.2. Das Fragment im Zentrum

Das entspricht durchaus der Tendenz, nicht mehr nur auf die „großen Erzählungen“ zu achten, sondern mehr und mehr das Individuum in den Mittelpunkt zu rücken.107 In diesem Kontext der Veränderungen bekommt auch das Fragment108 seine Bedeutung. Und mit einer Vielzahl unterschiedlichster Fragmente haben wir es zu tun, wenn wir uns auf Amirani, Prometheus und auf all die anderen Gestalten einlassen. Je mehr sie individuelle Züge zeigen, wie zum Beispiel die Prometheus-Gestalten der
neueren Zeit -, desto größer auch ihre Öffentlichkeit, ihre intellektuelle Wirksamkeit. titelDenn auch wenn Amirani eine Popularität durch Wissenschaft und
Künste, wie Siegfried – eine zentrale Gestalt aus der deutschen Mythologie –
bekommen würde109, so würde sich darin doch nicht wie bei Prometheus der
schwierige Prozess der Gewinnung eines Weltverständnisses widerspiegeln (vor
allem in einer Fassung, in der aus einer Mythologie eine Art Heldenepos wurde).
Es müssten vielmehr die ursprünglichen Elemente herausgearbeitet werden.

5.3. Vergangenheit als Gegenwart

Wie wir gesehen haben, dienen die Mythologien seit Jahrtausenden der
Machtlegitimation und arbeiten mit verwerflichen Mitteln (wie zum Beispiel der
Instrumentalisierung der Vergangenheit als Schrecken zur Glorifizierung der
Gegenwart). Die Konsequenz ist die Verwerfung der Kenntnis früherer Zeiten,
sofern sie nicht als neue eigene Erkenntnisse umgedeutet wurden. In der
Gegenwart aber spielt dieser schwarze Spiegel (Heiner Müller) eine immer
geringere Rolle. Selbst die Bedeutung der Kenntnisse der Steinzeit wird
entdeckt.110 Die Vergangenheit als Gegenwart muss daher nicht von vornherein die
Kontinuität des Konflikts bedeuten. Der Konflikt kann „aufgelöst“ werden. Die
„Zivilisierung“ hat eine Chance. Der entfesselte Prometheus ist ihr Symbol.

5.4. Die Weisheit der Lüge111

Wie sich zeigt sind die Mythologien „gelogenen Mythen“. Sie sind die Dokumente
der Sieger, die aber – ebenso wie das Pergamonfries112 – die Geschichte der
Unterdrückung beinhalten und ebenso die Folgen der Unterdrückung. Wie könnte
eindrücklicher das Leiden der Besiegten geschildert werden, als in diesen
Mythologien von Amirani und Prometheus?

Daraus ergibt sich die Weisheit der Lüge und die Mahnung: die Macht kann siegen,
braucht aber die Rechtfertigung und in der Rechtfertigung ist die Schuld
enthalten. Nicht die Sicherung der Tradierung der Geschichte der Macht
verbleibt, sondern es zeigen sich anhand der vielfältigen kaukasischen Varianten,
dass die Erlösung des „Verbrechers“ mit dem „Goldenen Zeitalter“ verbunden
wurde. Aus der „Weisheit der Lüge“ ergibt sich das Verbrechen des Siegers.

5.5. Neues und Altes

Von Charakidzé wird ein differenziertes Bild von Georgien bzw. vom Kaukasus
entworfen. Seine Darstellungen zeigen nicht zuletzt, dass zentrale europäische
Vorstellungen auf den „Rand der Welt“ zurückgehen. Und es zeigt sich bis in die
Gegenwart, dass die scheinbar abstrakte Welt der Griechen einen realen Ort
hat.113

Weiters stellt sich die Frage, ob die Erweiterung der Europäischen Union mit
neuen Lügen verbunden sein soll und muss oder ob nicht gerade diese Union mit
ihren starken Potentialitäten zur Integration und Transformation der Hinwendung
zur kulturellen Realität bedarf und auch durchaus in der Lage ist, dies zu
ermöglichen. Nicht nur die Auseinandersetzung mit Georgien könnte dabei von
großer Bedeutung sein. Wie es im zitierten Gedicht von Theodor Kramer heißt:
„Der Rand der Welt ist immer da“. An der Art der Berücksichtigung dieses Randes
wird sich aber erst der eigentliche (kulturelle) Reichtum oder die Armut zeigen.

5.6 Die Öffentlichkeit

Die hier behandelten Fragen beziehen sich auf Diskussionen, die – besonders in
den Detailaspekten – von einer breiteren Öffentlichkeit im „Westen“ bisher kaum
wahrgenommen wurden. Das „Goldene Vlies“ und die Argonauten sind (auch durch
Hollywood-Filme) bekannt und werden der „griechischen Welt“ zugeordnet.
Vereinzelt hat sich Amirani in Reise-Führer verirrt 114, aber meist scheint er
nicht einmal in einschlägigen Lexika zur Mythologie auf.115

Wenn das Thema dieses Beitrages der Kaukasus im europäische Bewusstsein
ist, so ist festzuhalten, dass der Kaukasus zwar zum Teil aus verschiedensten
Gründen eine bedeutende Rolle spielt 116, aber seine Mythologie, seine Kultur,
seine Menschen bisher sowohl in der Wissenschaft als auch vor allem in der
Öffentlichkeit kaum oder nur in Klischees wahrgenommen werden. Das beginnt mit
der Zuordnung zu Asien (obwohl Georgien Mitglied des Europarates ist), setzt
sich mit der Wahrnehmung als griechischer Kolonie bzw. später als „Russland“ fort
und äußert sich vor allem auch darin, dass wesentliche kulturelle Leistungen
anderen Ländern (hier: Griechenland) zugeordnet werden. Gerade in dieser
Hinsicht bleibt „Amirani“ an den Kaukasus gefesselt – als (virtuelles) Mahnmal
für die Entrechtung einer anderen Kultur, das auch metaphorisch eine globale
Bedeutung hat.
ANMERKUNGEN

*Dies ist eine Version für die Homepage des Polylogzentrums vom April 2016. Sie ist ohne Bilder. In der Version für TRANS 19 – soll im Laufe des Jahres 2016 erscheinen – werden diese eingefügt sein. Die Fußnoten werden wieder interaktiv sein. Außerdem wird dieser Text dann auch in Englisch, Georgisch, Russisch und weiteren Sprachen zur Verfügung stehen.

(1) Umberto Eco: Baudolino. Carl Hanser Verlag: München, Wien 2001. Vgl. dazu
die Karte auf S. 376 oder Kapitel wie „Baudolino in der Finsternis von Abkasia“.
Dort auf Seite 394: „‚Wir sind bereits in einem Land voller Monster‘, sagte sehr
zufrieden der Poet [als sie einem Basilisken begegneten – H.A.]. ‚Das Reich kann
nicht mehr weit sein.'“ Vgl. auch: Penka Angelova: „Die Konstruierbarkeit der
Welt. Reflexionen über Umberto Eco, Hermann Hesse und die konstruktiven Ansätze
der Jahrtausendwende.“ In: Herbert Arlt/Donald G. Daviau/Gertrude Durusoy/Andrea
Rosenauer (Hrsg.): TRANS. Dokumentation eines kulturwissenschaftlichen
Polylogversuchs im WWW (1997-2002).Röhrig Universitätsverlag: St. Ingbert 2002.

(2) Vgl: Silvia Tschopp: Mythen und Realität – was verbindet uns? In: „Jura
Soyfer. Internationale Zeitschrift für Kulturwissenschaften“. 11.Jg., Nr.
1/2002,S.14-16 sowie den Abschnitt zum Thema im Rahmen der Podiumsdiskussion
S.18ff.

(3) Vgl. die Ausführungen zur Bedeutung der Kultur in Europa von den
Abgeordneten zum Europäischen Parlament Christa Prets und Mercedes Echerer in:
„Jura Soyfer. Internationale Zeitschrift für Kulturwissenschaften“. 11.Jg., Nr.
4/2002.

(4) Für Hinweise zur Literatur über Amirani in Georgisch danke ich Irakli
Jurguladse (Tbilissi). Er verwies unter anderem auf Ivane Dschawachischwili
(„Parallelen zwischen Amiran und Prometheus“, Aufsätze in drei Bänden, Bd.I,
Tbilissi 19769, S.188-204), W. Kotetischwili („Volksdichtung“, Tbilissi 1961,
S.295), Tschikowani („Der gefesselte Amiran“, Tbilissi 1947 [Forschungen und
Texte], „Grundfragen der griechischen und georgischen Mythologie“, Tbilissi
1971), Wirsaladze („Georgisches Jägerepos“, Tbilissi 1964; ein Aspekt der auch
bei Charachidzé eingehend aufgegriffen wird), J. Surguladze („Symbolik der
georgischen Volksornamentik“, Tbilissi 1993, S.175) und Sch. Chidascheli,
„Graphische Kunst in der Früheisenära des Mittelkaukasus“, Tbilissi 1982,
S.67-79 (dazu: „Die ältesten Varianten des Amiransujets sieht Sch. Chidascheli
in den Kulturbronzegürteln der Malerei. Diese Denkmäler gehören zu der
Spätbronze- und Früheisenära [IX-VII Jh. v.u.Z.] sowie auf Charachidzé. Weiters
danke ich Elisabeth Campagner (Wien) für ihre Hinweise zu Amiran vom April 2003
zu http://store.yahoo.com/hlsl/amiran.html [„Amiran is a variant form of Amiron,
which is a combination of three Hebrew elements.“]. Darunter über die Parallelen
zwischen Prometheus und Adam: „Gemeinsam ist ihnen, dass sie Feuer stehlen. Adam
soll Feuer und Licht vom Himmel gestohlen haben. […] Die Motivkreise Feuerraub
– Bestrafung – Erlösung gelten für Beide.“ Und: „amira“ ist die Erzählung und
„amiran“ wäre somit ein Erzähler.“ Keine Hinweise fand sie jedoch in
mythologischen Lexika. Weiters konnten wichtige Beobachtungen auch im Rahmen der
INST-Expedition vom 28.7. bis 5.8.2003 (Besteigung des
Kasbegi/Kasbek/Mkinvari/Mkinvartsveri) gesammelt werden. Die Expedition im WWW:
http://www.inst.at/kuse/kasbegi.htm

(5) Homer: Ilias/Odyssee. Übersetzt von Johann Heinrich Voss. Artemis&Winkler:
München u.a. 1995.

(6) Hesiod: Theogonie. Reclam: Stuttgart 1999.

(7) Aischylos: Der gefesselte Prometheus. Reclam: Stuttgart 1966.

(8) Michail Tschikowani, der sich seit den 40er Jahren intensiv mit dem Stoff
beschäftigt hat, spricht von ersten schriftlichen Überlieferungen aus dem 6. Jh.
u.Z. (s. auch den Abschnitt 2.7.2.). Georges Charachidzé, dessen Lehrer George
Dumézil und Claude Lévi-Strauss waren, geht von einem sehr alten Mythos aus, der
die Grundlage für die Ausprägung unterschiedlicher Mythologien der Georgier,
Griechen, Armenier, Osseten und anderer Bevölkerungen des Kaukasus bildeten.

(9) Vgl. den Abschnitt 2 in diesem Aufsatz.

(10) Vgl.: Herbert J. Rose: Griechische Mythologie. Verlag C.H. Beck: München
2003, S. 12 („Kurze Bemerkungen zu den Quellen“).

(11) Am bedeutendsten in unserem Kontext: Umberto Eco: Die Suche nach der
vollkommenen Sprache. Deutscher Taschenbuch Verlag: München 2002.

(12) „This topic [„When Myth becomes History“ – H.A.] presents two problems for
the mythologist. One is a theoretical problem of great importance because, when
we look at the published material both in North and South America and elsewhere
in the world, it appears that the mythic materials is of two different kinds.
Sometimes, anthropologists have collected myths which look more or less like
shreds and patches, if I may say so; disconnected stories are put one after the
other without any clear relationship between them. In other instance, as in the
Vaupés area of Colombia we have very coherent mythological stories, all divided
into chapters following each other in a quite logical order.And then we have the
question: what does a collection mean? It could mean two different things. It
could mean, for instance, that the coherent order, like a kind of saga, is the
primitive condition, and that whenever we find myths as disconnected elements,
this is the result of a process of deterioration and disorganization; we can
only find scattered elements of what was, earlier, a meaningful whole. Or we
could hypothesize that the disconnected state was the archaic one, and that the
myths were put together in an order by native wise men and philosophers who do
not exist everywhere, but only in some societies of a given type. We have
exactly the same problem, for instance, with the Bible, because it seems that
its raw material was disconnected elements and that learned philosophers put
them together in order to make a continuous story.“ Claude Lévi-Strauss: Myth
and Meaning. Routledge Classics: London and New York 2001.

(13) Die Gemeinsamkeit der Kulturen lässt sich ausgezeichnet anhand der Struktur
der Museen zur „Frühgeschichte“ (Geschichte ohne Schrift) studieren. Auch wenn
es Modifikationen im Material, der Gestalt usw. geben mag, die Zeugnisse sind
doch die selben und verweisen auf eine gemeinsame Praxis der Menschen.

(14) Die meisten der hier zitierten Lexika gehen von einer „griechischen“
Mythologie aus und berücksichtigen eine gemeinsame (nicht-schriftliche)
Vergangenheit (eventuelle gemeinsame Mythen) nicht. Damit wird aber der Prozeß
der Mythologisierung nur einseitig erfasst. Spätere Ordnungsgesichtspunkte
werden dominant.

(15) Vgl. Claude Lévi-Strauss zu Myth and Science: a.a.O., S. 3ff.

(16) Ebenso: Ruth und Dieter Groh: Weltbild und Naturaneignung. Zur
Kulturgeschichte der Natur. Suhrkamp: Frankfurt am Main 1996; insbesonders S.
11ff.

(17) Georges Charachidzé: Prométhée ou le Caucase. Flammarion: Paris 1986,
S.330.

(18) Naoji Kimura: Der „Ferne Westen“ Japan. Zehn Kapitel über Mythos und
Geschichte Japans. Röhrig Universitätsverlag: St. Ingbert 2003.

(19) Auch die Negation der Gemeinsamkeiten bzw. die Konstruktion „nationaler“
Identitäten kann als (destruktive) Gemeinsamkeit begriffen werden.

(20) Penny Martin (Hrsg.): Geographica. Der große Weltatlas mit Länderlexikon.
Könemann Verlagsgesellschaft: Köln 1999, S.60. Siehe zu den Migrationsbewegungen
seit dem 18. Jahrhundert in Europa: Klaus J. Bade: Europa in Bewegung.
Mitgration vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Verlag C.H.Beck:
München 2000.

(21) Darauf verweist gerade die Integration der Götter. Vgl. auch Anm. 93.

(22) Zum Teil werden diese Kenntnisse bei Charachidzé u.a. bereits einbezogen.
Eine transdisziplinäre Zusammenschau steht aber noch aus.

(23) Harald Haarmann: Kleines Lexikon der Sprachen. Von Albanisch bis Zulu.
Cerlag C.H. Beck: München 2001, S. 151.

(24) Ebd., S. 148.

(25) Walter Markov (Hrsg.): Kleine Enzyklopädie. Weltgeschichte. Leipzig 1979,
S. 359 bzw. S. 405.

(26) dtv-Lexikon. Deutscher Taschenbuchverlag: München 1992, Bd.6., S. 289.

(27) Hans Wilhelm Haussig: Götter und Mythen der kaukasischen und iranischen
Völker. Klett-Cotta: Stuttgart 1986. S. 46. Zu „Folklore“ vgl. auch Seite X.

(28) Heinz Fähnrich: Lexikon Georgische Mythologie. Reichert Verlag: Wiesbaden
1999, S. 9.

(29) Otto Schönberger: Nachwort. In: Hesiod: Theogonie, S. 146/147.

(30) Jack Goody: Entre l’oralité et l’ècriture. Presses Universitaires de
France: Paris 1994.

(31) Vgl. Kimura in: „Jura Soyfer. Internationale Zeitschrift für
Kulturwissenschaften“. 11.Jg., Nr. 1/2002, 9ff. Und: Naoji Kimura: Der „Ferne
Westen“ Japan. Zehn Kapitel über Mythos und Geschichte Japans. Röhrig
Universitätsverlag: St. Ingbert 2003.

(32) Kritische Bemerkungen zur Schematisierung von „Mythen“ sind zu finden in:
Herbert J. Rose: Griechische Mythologie. Ein Handbuch. Verlag C.H. Beck: München
2003, S. 1-12. Er selbst schreibt über Mythologie: „Wir pflegen mit dem Wort
Mythologie die wissenschaftliche Beschäftigung mit gewissen Schöpfungen der
Phantasie zu bezeichnen, die sich in Form von Erzählungen darbieten. Solche
Erzählungen nannten die Griechen Mythen […].“ Ebd., S.1. Damit ist eine
Differenzierung unter Einbeziehung der Rezeptionsgeschichte nicht mehr möglich
und die Kritik an diversen Verfahrensweisen bleibt abstrakt.

(33) Vgl.: Peter Horn: Foundations and Characteristics of Culture. In EOLSS
6.23. („Culture Civilisation and Human Society“). Im WWW: http://www.eolss.net/
Alle Abfragen für diesen Aufsatz vom 24.8.2003.

(34) Charachidzé, a.a.O., S. 13ff.

(35) Hesiod, Theogonie, S. 144.

(36) Charachidzé, a.a.O., S. 47, 179, 73, 77, 80, 83, 95, 217, . Diese Vielzahl
von mythischen Figuren hatten offensichtlich Einfluß auf „Das Buch vom Helden
Amirani“. Vgl. zu den mythischen Figuren auch Haussig, a.a.O., S. 44.-46.

(37) Aischylos, a.a.O., S. 11.

(38) Zum Beispiel: Rose, a.a.O., S. 12 u.a.

(39) Vgl. Lévi-Strauss, Anm. 12.

(40) Vgl. Abschnitt 4 in diesem Aufsatz.

(41) Charachidzé, a.a.O., S. 207 ff.

(42) Vgl. zu den Kaukasischen Sprachen u.a.: Georgij Klimov: Einführung in die
kaukasische Sprachwissenschaft. Helmut Buske Verlag: Hamburg1994.

(43) Vgl. dazu auch ein Zeugnis von Eznik de Kolb aus dem Jahre 440 u.Z., das
sich gegen Schriften wendet, die damals noch existiert haben müssen. Durch ihre
Negation wurde ihre Kenntnis möglich. Nach: Charachidzé, a.a.O., S.101ff. Vgl.
auch: Heinz Fähnrich: Georgische Literatur. Shaker Verlag: Aachen 1993.

(44) Während der INST-Expedition fand das Fest Atengenoba statt. Vgl. aber vor
allem: Georges Charachidzé: Le sytème religieux de la Géorgie païnne. Analyse
structurale d’une civilisation. Tome 1, 2. La Découverte: Paris 2001. Hier sind
auch wertvolle Abschnitte über Mythen und Riten usw. enthalten.

(45) Im Vorwort beklagt Georges Dumézil die Lage der Forschung über Georgien in
Frankreich (ebd., S. 1-2). Dagegen verweist Fähnrich in „Georgische Literatur
(Anm. 43) auf eine lange Tradition der wissenschaftlichen Forschungen von
Deutschen (S. 7ff.). Auch in Russland gibt es offensichtlich umfangreiche
wissenschaftliche Traditionen.

(46) Charachidzé, Prométhée ou le Caucase, a.a.O., S. 14.

(47) Vgl. zum Beispiel die Übersetzung von Peter Handke: Prometheus gefesselt.
Suhrkamp: Frankfurt am Main 1986.

(48) Charachidzé, a.a.O., z.B. S. 322.

(49) Fähnrich, „Georgische Literatur“, a.a.O., S. 23.

(50) Homer und Hesiod schufen nicht nur, wie es heißt (Herodot 2,53) den
Griechen ihre Götter und verteilten deren Ehrenämter, sondern bilden auch
letztlich den Ausgangspunkt der europäischen Philosophie. Theogonie, a.a.O., S.
141.

(51) Hesiod, a.a.O., S. 43.

(52) Aischylos, a.a.O., S. 7.

(53) Ebd., S.111ff.

(54) Ovid, a.a.O., S.3

(55) Ovid, a.a.O., S. 26.

(56) Rose, a.a.O., S. 342.

(57) Aischylos, a.a.O., S. 111.

(58) Theogonie, Nachwort, S. 144.

(59) Zum Beispiel: Mythos – Eisenzeit – Götterzeit usw.

(60) Ebenso in Amirani-Varianten als auch z.B. bei Aischylos (a.a.O., S. 49,)

(61) Ovid, a.a.O., S.20.

(62) Table de Concordance des Légendes sur Amirani (LA) in: Georges Charachidzé:
Prométhée ou le Caucase. Essai de Mythologie Contrastive. Flammarion: Paris
1986. Préface de Georges Dumézil, S. 343/344.

(63) Ebd., S. 338/339.

(64) Ebd., S. 225/226.

(65) Ebd., S. 324/325.

(66) Ebd., S. 290.

(67) Ebd., S. 14/15.

(68) Michail Tschikowani in: Das Buch vom Helden Amirani, a.a.O., S. 181.

(69) Charachidzé, a.a.O., S. 65, 15, 230.

(70) Ebd., 343ff.

(71) Ebd., S. 246.

(72) Zur Rezeption vgl.: Johann Knobloch: Homerische Helden und christliche
Heilige in der kaukasischen Nartenepik. Carl Winter, Universitätsverlag:
Heidelberg 1991.

(73) Das Buch vom Helden Amirani. Ein altgeorgischer Sagenkreis. Gustav
Kiepenheuer Verlag: Leipzig und Weimar 1978. Aus dem Georgischen übersetzt von
Heinz Fähnrich. Bearbeitet und mit einem Essay „Amirani und Prometheus“ von
Micheil (sic) Tschikowani.

(74) Tschikowani, S. 181. Tschikowani betont auch explizit die Folklore, die im
Lexikon auf Haussig (s. Zitat, Anmerkung 27) erwähnt wird: „Der Ursprung der
Wortkunst liegt in der Folklore, von ihr sind die vollkommensten künstlerischen
Gestalten hervorgebracht worden.“ Folklore wird hier zu einem Begriff, der der
Komplexität des Prozesses aber kaum gerecht wird. Und vieles in der Darstellung
der Rezeption bleibt auch vage, verweist aber auf das eingehende
wissenschaftliche Interesse an Amirani. Es soll daher ausführlich zitiert
werden, womit auch einige Momente der Rezeptionsgeschichte deutlicher werden
dürften: „Mit dem Anfang des 19. Jahrhunderts, dem Beginn der wissenschaftlichen
Folkloristik und Ethnologie, nimmt allmählich die Diskussion über Amirani in
Presse und Forschungsberichten zu. Amiranologische Untersuchungen betreiben
sowohl georgische Wissenschaftler als auch ausländische Forscher und Reisende.
Leider ist bis zum heutigen Tag keine vollständige Bibliographie der
Amiranologie zusammengestellt worden, die sicherlich einige Tausend Arbeiten,
Aufzeichnungen, Nachrichten und Hinweise in den Sprachen der Sowjetunion und in
europäischen Sprachen umfassen würde. Das reichste Material ist natürlich in
georgischer Sprache gesammelt worden, danach folgen Russisch, Deutsch,
Französisch, Englisch, Tschechisch und Ungarisch… Das Sammeln von Varianten
der Amirani-Sage und ihre Fixierung gehen unaufhörlich weiter. 1947 wurde mit
Unterstützung der Universität Tbilisi das Korpus dieses Epos unter dem Titel
‚Der angekettete Amirani‘ veröffentlicht. Ihm folgten die zweibändige
Untersuchung ‚Das georgische Epos'(1959-1965, Ausgabe der Akademie der
Wissenschaften der Georgischen SSR) und das Jugendbuch ‚Die Amirani-Sage‘ (1961
im Nakaduli-Verlag). Der gegenwärtige Stand der Amiranologie ist in der vom
Moskauer Verlag „Nauka“ herausgegebenen Monographie ‚Das georgische Volksepos
vom angeschmiedeten Amirani‘ (1966) zusammengefasst. In der georgischen
Philologie gilt die Amiranilogie heute als Disziplin der Folkloristik und hatte
natürlich auch ihre lange Vorgeschichte (vgl. Lexikon der georgischen Folklore,
I, 1974). Nach den Werken von Mose Choneli (12.Jh.), Sulchan Taniaschwili
(17.Jh.) und Ioseb Tpileli (17.Jh) begann im ersten Jahrzehnt des 19.
Jahrhunderts das Sammeln reiner Volkstexte, das bis heute fortgesetzt wird.
Betrachtungen über die georgische Mythologie und die Amirani-Sage begegnen in
den Arbeiten solcher Gelehrter wie Teimuras Bagrationi, Sulchan Barataschwili,
Ws. Miller, A. Weselowskij, G. Potanin, N. Marr, A. Chàchanaschwili, I.
Dshawachischwili, K. Kekelisdse, G. Zereteli, M. Dshanaschwili, S.
Tschitschinadse, W. Abaew, I. Nusinow, Sch. Nuzubidse, P. Ingoroqwa, A.
Baramidse, Sch. Amiranaschwili, S. Dshanaschis, G. Melikischwili, K.
Sicharulidse, E. Wirsaladse, A. Ghlonti, A. Uruschadse, E. Meletinskij, Iust.
Abuladse, W. Shirmunskij, S. Qauchtschischwili, B. Piotrwoskij und An.
Chintibidse…“ Ebd., S. 184/185. Vgl. auch die Bibliographie in Charachidzé,
a.a.O., S. 347-354.

(75) Aischylos, a.a.O., S. 27ff.

(76) Quamara in: Das Buch vom Helden Amirani, S. 82 ff.

(77) Charachidzé, a.a.O., S. 235ff.

(78) Siehe auch Anmerkung 44.

(79) Martin Bernal: Black Athena. The Afroasiatic Roots of Classical
Civilisation. Vintage: London 1991.

(80) Darunter fällt in der Analyse der Macht auch das Werk von Elias Canetti,
insbesondere Masse und Macht.

(81) Vgl. Anmerkung 29. Darüber hinaus sind aber auch in den Ausgaben von Homer,
Hesiod, Aichylos afrikanische Bezüge enthalten.

(82) Siehe Anmerkung 12.

(83) Siehe Hesiod und den Vergleich von Charachidzé: S. 108 u.a.

(84) Ebd., S.243ff.

(85) „Das Buch vom Helden Amirani“, a.a.O., S. 60. Unter dem Titel „Der Raub des
Feuers“ heißt es auf S. 62: „Bald ließen Sulkalmachi und seine Söhne die
Schmiede wieder erklingen.“

(86) Charachidzé, a.a.O., S. 273ff.

(87) Zur Mythologie des Berges siehe: Karl Gratzl: Mythos Berg. Purkersdorf
2000, S.187ff.

(88) Ebd.: Das Buch ist in diesem und in anderen Fällen ein Beispiel dafür, nur
die „eigenen“ Texte zu zitieren.

(89) Für den 4. und 5. Juni 2004 wurde eine Konferenz zum Thema „Mythen und
Berge“ an der Universität in Tbilissi vorbereitet. Siehe dazu auch:
http://www.inst.at/termine/index.htm

(90) Charachidzé, a.a.O., S. 309ff.

(91) Aischylos, a.a.O., S. 109.

(92) Ebd., S. 118.

(93) „Hesiod zeigt, wie Zeus diese Ordnung gegen wilde Ursprungsmächte erkämpft.
Die Macht des Zeus erscheint im Schicksal der Iapetiden (besonders im Mythos von
Prometheus), aber auch im Sieg über Kronos. Zeus wird für Hesiod zur
Verkörperung von Macht, Wissen und Gerechtigkeit. Er gewinnt die Götter der
älteren Generation für sich oder verbannt sie für immer (sic).“ Schönberger in:
Hesiod, a.a.O., S.152

(94) Charachidzé, a.a.O., S.68.

(95) Umberto Eco: Der Namen der Rose. Deutscher Taschenbuch Verlag: München
2002.

(96) Charachidzé, a.a.O., S. 163ff.

(97) Das Buch vom Helden Amirani, a.a.O., S. 154ff.

(98) Vgl.: Katérina Stenou: Images de l’autre. La Différence: du Mythe au
Préjugé. Seuil-Éditions UNESCO: Paris 1998.

(99) Drachen werden in den Bergen von der Wissenschaft noch im 19. Jahrhundert
vermutet. Vgl. dazu: Matthias Stremlow: Die Alpen aus der Untersicht. Verlag
Paul Haupt: Bern, Stuttgart, Wien 1998.

(100) Charachidzé, a.a.O., S. 91ff.

(101) Ovid, a.a.O., S. 27/28.

(102) Charachidzé, a.a.O., S. 173ff.

(103) Fähnrich, Lexikon, a.a.O., S. 9ff.

(104) Charachidzé, a.a.O., S. 232. Vgl. Auch Ovid, a.a.O., S. 26.

(105) Theodor Kramer. In: Andre, die das Land so sehr nicht liebten…
Zupfgeigenhansel. Lieder nach Texten von Theodor Kramer. Verlag „pläne“:
Dortmund 1985.

(106) Lied am Rand. Wenzel singt Theodor Kramer. Buschfunk-Vertrieb: Berlin
1997.

(107) Vgl. dazu: Homi K. Bhabha (ed.): Narration and Nation. Routledge: London
und New York 1990.

(108) Beispiele aus der Literatur wären: Büchner, Brecht, Soyfer, Musil u.v.a.

(109) Charachidzé, a.a.O., S. 314. Hier wird die rohe Kraft von Amirani der
Intelligenz von Prometheus gegenübergestellt. Ein Beispiel einer Darstellung
bietet folgendes Buch: Amirani. Ein georgisches mythologisches Epos. Verlagshaus
Sawsnota Skartvelo: Tiflis 1975 (Georgisch). Siehe dazu insbesondere die
Bebilderungen.

(110) Vgl. neben Groh (Anm.) auch: Claude Lévi-Strauss: Myth and Meaning,
a.a.O., S.3.

(111) Die Weisheit der Lüge: Unter diesem Titel erschien eine Sammlung von
Texten von Sulchan-Saba Orbeliani: Rütten&Loening: Berlin 1973. Dazu im Nachwort
über Orbeliani: „Er erkundet mit dialektischem Instinkt die Funktion der Form in
der Funktion der Lüge.“ (Ebd., S. 259.) In diesem Sinne ist er auch ein
gewichtiger Vorläufer von Baudolino (S. Anmerkung 1).

(112) Gerade mit dieser Form der Interpretation eröffnet auch Peter Weiss seinen
monumentalen Roman „Die Ästhetik des Widerstands“ (Suhrkamp Verlag: Frankfurt am
Main 1976). Im Zentrum der Rahmenhandlung steht Herakles, der auch im Roman
immer wieder eine Rolle spielt. Und eben dieser Herakles war es auch, der
Prometheus befreite.

(113) Ovid, a.a.O., S.14: „Die imaginären Länder sind wirkliche Länder, und die
Sterblichen sind durch und durch Menschen, aber göttliche Wesen wandeln unter
ihnen, und Wunder sind an der Tagesordnung.“

(114) Z.B. in: Rainer Kaufmann: Kaukasus. Prestel: München u.a. 2000, S.115. Im
Register kommt Amirani aber nicht vor.

(115) Nicht berücksichtigt werden die georgischen Quellen zum Beispiel in:
Lexikon der Antike. Hrsg. Von Johannes Irmscher. Leipzig 1977 (Prometheus: S.
453); Félix Guirand/Joël Schmidt: myths & Mythologie. Larousse: Paris 1996;
Knauers Lexikon der Mythologie. Hrsg. Von Gerhard Bellinger. Droemer Knaur
Verlag: Augsburg 2001.

(116) Einige sehr unterschiedliche Beispiele der letzten Jahre: Kay
Kohlmeyer/Geraldine Saherwala: Frühe Bergvölker in Armenien und im Kaukasus
[Ausstellung des Museums für Vor- und Frühgeschichte, Berlin, 1983]. Berlin
1983; Friedrich Bender: Classic Climbs in the Caucasus. Diadem Books: London
1991; Gerhard Schmidt/Lydia Schmidt: 5000er. Rother: München 1993; Audrey
Alkeld/Jose Bermudez: On the Edge of Europe: Mountaineering in the Caucasus.
Mountaineers Books: 1994; Maria Enichlmair: Bertha von Suttner im Kaukasus.
Diss.: Wien 2001; Werner Seibt (Hrsg.): Die Christianisierung des Kaukasus.
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: Wien 2002.