Österreichische Literatur – eine vielsprachige Literatur

Als Herbert Arlt anfangs der 1990er Jahre beim FWF ein Forschungsprojekt zur österreichischen Literatur einreichte, wurde dieser Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass der Begriff „österreichische Literatur“ ein ideologischer und kein wissenschaftlicher Begriff sei.

In der Folge reichte Herbert Arlt ein Projekt beim FWF mit dem Titel „Geschichte der Germanistik in der Habsburgermonarchie 1848-1918“ ein. Dieses Projekt wurde genehmigt und ermöglichte Arlt Studien in Archiven in einem Dutzend Länder. In diesem Kontext konnte er unter anderem feststellen, dass der Begriff österreichische Literatur an Universitäten in der Habsburgermonarchie bereits seit dem 19. Jahrhundert verwendet wurde.

Auch im Rahmen seiner Dissertation „Jura Soyfer. Eine literarhistorische Studie“ spielte der Begriff eine zentrale Rolle. Freilich führte die Verwendung des Begriffs „Austrofaschismus“ dazu, dass das Approbieren ein Jahr dauerte. Die Habilitationsschrift zog Arlt zurück, weil es ihm nicht sinnvoll schien, seine Zeit mit Streit mit einem universitären Gremium zu verschwenden. Ein Streit, bei dem es auch um den Begriff „österreichische Literatur“ ging. Die Auseinandersetzungen zum Begriff „Austrofaschismus“ waren selbst im Jahr 2012 noch mit der Akademie der Wissenschaften und Vertreterinnen des BMEIA zu führen.

Bei der Buchmesse in Frankfurt am Main 1995 präsentierte sich österreichische Literatur als eine vielsprachige Literatur. Zugleich hatte sich bis zur Etablierung der österreichischen Rechtsregierung eine Österreich-Forschung weltweit entwickelt. Besonders in Ländern mit demokratischen Umgang mit Vielsprachigkeit, Multi- und Transkulturalität wurde die Entwicklung mit Interesse und Sympathie verfolgt. Eigene Foren ermöglichten Partizipation und Synergien.

In Österreich dagegen wurden die alten, reaktionären Formen der bürokratischen Schikanen eingesetzt. Denn sich gegen diese Forschungen zur vielsprachigen österreichischen Literatur offen auszusprechen, würde bedeuten, dass sich StaatsvertreterInnen – zu denen übrigens auch die UniversitätslehrerInnen gehören – offen gegen Prinzipien der EU und der UNESCO wenden würden.

Schlussendlich kam es zu einer Zerschlagung bzw. Verstaatlichung der freien Wissenschaftsszene. Rund 320 Vereine waren betroffen. Die Schäden, die sich aus der Wirklichkeitsabgewandtheit ergeben, sind in allen Bereichen evident. Dafür aber werden die alten Formen der Kriegspropaganda wiederbelebt. Zum Beispiel durch die sogenannte „Studie“ zu den Islam-Kindergärten in Wien, durch die Kennzeichnung von Schutzsuchenden als Feinde, durch die comicartige Reaktivierung des Kreuzrittertums, durch die Negierung der österreichischen Sprache, Literatur, Kultur in ihrer Vielfalt und ihrem Reichtum.

Hier sind neue Ansätze zu ermöglichen, die dem Forschungsgegenstand sowie der Europäischen Union als Friedensprojekt gerecht werden.