Sprache und Bilder in österreichischen Heimatfilmen der fünfziger Jahre

Von Gertraud Steiner Daviau (Wien)

Sprache und Bilder des österreichischen Heimatfilms der fünfziger Jahre, dem typischen Produkt der Populärkultur der Zeit, geben auch Aufschluß über gesellschaftliche und allgemein kulturelle Tendenzen. Eine Analyse auf rein geistiger Ebene wäre allerdings zu kurz gegriffen, da vieles nur aus ökonomischen Rahmenbedingungen der Filmwirtschaft verständlich wird.

Neben den letzten Ausklängen des „Wiener Films“ ist es der Heimatfilm, der den österreichischen Film in den zwei Dekaden nach Kriegsende bis in die sechziger Jahre dominiert, in denen die Filmwirtschaft mit „Opas Kino“ beinahe auf dem Nullpunkt anlangt. Bis 1966 wurde die heute unglaubliche Anzahl von 466 österreichischen Filmen produziert, also im Durchschnitt mehr als zwanzig pro Jahr, davon waren etwa 122 Heimatfilme. Die Zahl ist absichtlich weit gefaßt, denn gerade zum „Wiener Film“ oder „Habsburger Film“ verlaufen die Grenzen fließend.

Die gesamte Produktion steht und fällt mit dem Heimatfilm, obwohl die eigentliche Hochblüte nach dem Überraschungserfolg Der Förster vom Silberwald (1954) auf drei Jahre konzentriert ist. Dieser Film hatte in Österreich ursprünglich viel weniger marktschreierisch, dafür naturverbundener aber auch gefühlsseliger Echo der Berge geheißen. Damit ist er auch das bekannteste Beispiel für die Praktiken der deutschen Verleiher, einen möglichst reißerischen Titel zu finden.

In diesen Boom-Jahren der Filmindustrie, also von 1954 bis 1956, brachten es die Heimatfilme auf einen Anteil von 36 Prozent und waren damit der treibende Motor der florierenden österreichischen Filmwirtschaft. Endlich schien sich wieder eine eigenständige und funktionierende österreichische Filmindustrie abzuzeichnen. Das Erfolgsrezept hieß Präsentation der schönsten österreichischen Landschaften und Ausrichtung auf den Massengeschmack – letzteres gilt ja nicht nur für den Heimatfilm, sondern auch für Hollywood.

Der Heimatfilm, der sich von aktuellen Bezügen freihält, wurde zum Hauptprodukt der österreichischen Populärkultur. Damit befindet er sich durchaus auf einer Parallele zur österreichischen Hochkultur: in diesem Falle der Literatur, in der ebenfalls erst ab 1958 zuerst von H.C. Artmann, später von Peter Handke, Wolfgang Bauer und Thomas Bernhard die Wende zur Gegenwart vollzogen wurde.

Das Genre des Heimatfilms erhebt zwar den Anspruch auf Seriosität, nicht aber den auf Hochkultur, sondern sieht sich als Unterhaltung. Von Filmkultur war damals ohnehin im deutschsprachigen Raum noch keine Rede. Außer in wenigen Ausnahmen äußerten sich die Intellektuellen nicht zum Film, er lag einfach nicht außerhalb, sondern unterhalb ihrer Sphäre. Für die 68er- und Nach-68er-Generation wiederum verkörperte der Heimatfilm – ohne genauere Analyse – den Faschismus pur, bestenfalls das Produkt ästhetischen Versagens.

Filminhalte sind nicht nur Folgeerscheinungen geistlicher Befindlichkeiten oder Zeitströmungen, mehr noch sind sie von der Filmökonomie abhängig, da es eben sehr kostspielig ist, einen Film zu produzieren, wodurch sich jede Filmanalyse beträchtlich von einer Literaturanalyse unterscheiden muß. Wirtschaftlich und inhaltlich hat die österreichische Heimatfilmproduktion vier Phasen mit jeweils wechselnden Leitbildern durchlaufen:

Die Aufbauphase von 1946 bis 1949

Als häufigster Kritikpunkt wird genannt, daß nach 1945 nicht – wie dies im Sinne einer geistigen Erneuerung wünschenswert gewesen wäre – eine neue Generation von Filmschaffenden mit neuen Themen und neuem Stil zum Zug gekommen sei. Man muß hier freilich differenzieren, denn nicht jeder, der im Land blieb, war unfähig und ein Nazi, siehe Willi Forst. Daß eine beinahe ungebrochene Kontinuität zur Filmproduktion im Dritten Reich möglich war, in der ironischerweise eine Paula Wessely trotz Mitwirkung in einem monströsen Propagandafilm (Heimkehr) schon 1947 (Der Engel mit der Posaune) wieder einen Film drehen konnte, während Forst, der allen politischen Bekundigungen für die Nazis sorgfältig ausgewichen war, es nicht mehr schaffen konnte, hat zwei sehr handfeste Gründe: Die „Wien-Film“ war ein staatlicher Monopolbetrieb gewesen, und selbst die einzig selbständige Forst-Film war nichts mehr als ein Zulieferer für die Wien-Film. Daher kam auch der Nachwuchs aus eben dieser Wien-Film, wie etwa Franz Antel. „Andersrassige“ und Andersdenkende waren in die Emigration gezwungen worden, die Remigration glückte fast nie. Zum zweiten war die Wien-Film in ihren ökonomischen Grundlagen auseinander gerissen worden. Denn während das Rosenhügelstudio, die Hauptproduktionsstätte samt dem enorm wichtigen Kopierwerk, im sowjetisch besetzten Sektor lag, befand sich das zweitgrößte Studio Sievering, das 1916 vom Filmgrafen Sascha Kolowrat erbaut worden war, im amerikanischen Sektor. Die Wien-Film war nur mehr ein fahler Abglanz der einstigen Macht und Glorie, sie produzierte kaum mehr, sondern beschränkte sich hauptsächlich auf Ateliervermietung. Es ist heute durch Dokumente ausreichend bewiesen, daß die amerikanische Besatzungsmacht erstens keine starke Wien-Film aufkommen lassen wollte, und zweitens der Filmoffizier Eugene Sharin (der selbst aus Mitteleuropa gebürtig war), die Produktionsgenehmigungen hinauszögerte, damit die amerikanischen Verleiher einen entsprechenden Marktanteil erobern konnten. Die Früchte des Sieges sollten nun auch in klingender Münze geerntet werden. Aus dieser Zwickmühle heraus schien der Heimatfilm die geeignete Lösung, denn er benötigte kaum Atelierszenen und die spektakulären Landschaftsaufnahmen waren relativ billig. Dies war ein Gebiet, in dem die Amerikaner nicht konkurrieren konnten. Willi Forst war der einzige, der sich andere Gedanken machte, auch öffentlich in seiner Zeitschrift FILM. Er schlug vor, österreichische Stoffe, z.B. einen Kaiserin Elisabeth-Film, auch in englischen Versionen mit österreichischen und internationalen Stars zu verfilmen, aber er fand kein Gehör.

Dieser weltoffenere Weg wurde nicht beschritten, sondern man entschied sich für die scheinbar einfachere, aber auch kurzsichtigere Strategie, nur für den deutschsprachigen Markt zu produzieren. Vereinzelt kommen noch kurz nach dem Krieg „klassische“ Heimatfilm-Themen ins Spiel: Die Tiroler Exlbühne stellt noch die im Dritten Reich begonnene Verfilmung von Karl Schönherrs Erde (1947) fertig, die in Stil und Thematik sehr wohl noch den Blut-und-Boden-Gedanken verhaftet ist. Willi Forsts Produktionsfirma erzielt mit Der Hofrat Geiger (1947) einen großartigen Erfolg, mit einem Film, der mit einem Fuß noch in der Wien-Film steht, nämlich mit dem Duo Hans Moser und Paul Hörbiger, und mit dem anderen einen – wenn auch zaghaften -Schritt in die neue Zeit macht: Auf humorvolle Weise erfahren wir die Tücken des Schleichhandels, und schließlich treffen sich alle in der Wachau, damals noch ein Traumziel, das für den Wiener Normalbürger kaum erreichbar war. Das „Mariandl“-Lied wurde zum Markenzeichen der Wachau und prägte das romantische und touristische Image der Region. Ein großer Erfolg wird auch Erzherzog Johanns große Liebe (1950), nämlich jene des fortschrittlichen Habsburgers zur Postmeisterstochter Anna Plochl. Neben einem halb glorifizierenden mit kritischen Anmerkungen versehenen Blick auf die Vergangenheit wird die Ausseer Landschaft im Stile romantischer Landschaftsgemälde präsentiert. Der Blick auf die Vergangenheit war vertraut, es war bereits die Überlebensstrategie der Wien-Film gewesen, die vor politischen Stellungnahmen zur Gegenwart bewahrte. Undenkbar aber wäre damals gewesen, einen habsburgischen Erzherzog zum Helden zu machen. Aber auch rein praktische Gründe sprachen dafür, einen Film zu drehen, der im feudalen Milieu schwelgte und Anlass zu opulenten Szenen bot, denn es hatte sich bereits in Deutschland gezeigt, daß die sogenannten Trümmerfilme kein Publikum fanden. Abgesehen davon, wenn von der Besatzungsmacht zu erzieherischen Zwecken ein Film finanziert wurde, wie z.B. Der Ruf von Fritz Kortner in Deutschland, war natürlich Film ein Geschäftsvorhaben, das sich selbst tragen und nach Möglichkeit Gewinn einspielen sollte.

Anfang der fünfziger Jahre treten wir in die zweite Phase der Filmproduktion, in der sich zwischen 1950 und 1954 die Strukturen konsolidieren. Die große Entdeckung dieser Zeit ist wieder einmal die Operette, die nun mit Naturaufnahmen verbunden wird. Man nimmt die österreichische Operettentradition wieder auf und folgt gleichzeitig einem Trend, den der bundesdeutsche Film Schwarzwaldmädel mit einem Riesenerfolg vorgegeben hat. Gruß und Kuß aus der Wachau, Der fidele Bauer, Tanz ins Glück, Saison in Salzburg, Auf der grünen Wiese, Die Regimentstochter die Titel sprechen für sich.

Daneben besinnt man sich auch wieder auf die Bergfilme, die Dr. Arnold Fanck in den zwanziger und dreißiger Jahren gedreht hatte. Das Neuartige war damals, daß Fanck wirklich mit der ganzen schweren Ausrüstung in die Berge stieg und an Ort und Stelle drehte, nun, in den fünfziger Jahren, wurden die Konflikte verniedlicht, und vor allem die Schneestürme im Atelier erzeugt, sodaß sie ihres eigentlichen Sinnes beraubt wurden: Nacht am Montblanc (Harald Reinl, 1951), Der Sonnblick ruft (Eberhard Frowein, 1952).

Es wird deutlich, daß man sich wieder auf Altbewährtes verlässt. Der wirtschaftliche Spielraum für den Film ist aber auch tatsächlich nicht sehr groß. Zu Beginn der fünfziger Jahre wird die amerikanische Filmeinfuhr drastisch erhöht und stellt von nun an circa die Hälfte des Gesamtangebots. Ein besiegtes Land wie Österreich konnte sich nicht durch eine Importkontingentierung schützen. Das bedeutete aber für die einheimische Produktion, daß im Vergleich mit den Hollywoodfilmen nun auch hier die Ansprüche und damit auch die Kosten stiegen. Um das Budget für einen Film zusammenzustellen, war man mehr und mehr gezwungen, Vorfinanzierungen der deutschen Verleihe, über die allein der Absatz dieser Filme möglich war – die so genannte Verleihgarantie – in Anspruch zu nehmen. Sie konnten nun den kapitalschwachen kleinen österreichischen Firmen Stoffwahl und Schauspieler diktieren. Diese hatten sich nach dem Filmabkommen 1950/51 ohnehin schon verstärkt auf die BRD ausgerichtet. In der Schere zwischen den gestiegenen Ansprüchen und dem Verleihdiktat zogen sich die österreichischen Filmemacher noch mehr darauf zurück, von den Schönheiten der heimatlichen Landschaft, vorzugsweise des Salzkammerguts und des Wolfgangsees, zu profitieren. Handlung und Dialog mußten mit einer Nebenrolle vorlieb nehmen.

Wenn wir vom „Staatsfilm“ 1. April 2000 absehen, war man in Österreich außerstande, kapitalaufwendige Filme zu produzieren. Nicht einmal ein Starregisseur wie Willi Forst konnte einen neuen Film auf die Beine stellen, da seine Projekte (darunter ein Kaiserin Elisabeth-Film) großzügige Budgets erfordert hätten. Er mußte nach Deutschland gehen, um seinen ersten Film nach dem Krieg zu drehen: Die Sünderin.

Die Hochkonjunktur: 1954-1956

Die eigentliche Heimatfilm-Ära setzte 1954/55 nach dem Zufallserfolg von Echo der Berge (deutscher Verleihtitel: Der Förster vom Silberwald) des steirischen Barons Mayr-Melnhof ein, der damit den Jagdgedanken propagieren wollte. Sie bescherte der österreichischen Filmwirtschaft Produktionsspitzen, aber nur selten Spitzenproduktionen.

Regisseure und Produzenten überboten sich gegenseitig mit Filmen nach dem Rezept: Man nehme eine Liebesgeschichte mit einem Jäger, dazu einen hinterlistigen Wilderer, und versehe dies mit breit ausgespielten Natur- und Tieraufnahmen. Die Handlung war von vornherein nicht unbedingt das Wichtigste, die Naturaufnahmen hatten meist den gleichen Stellenwert; bei den anspruchsvolleren Heimatfilmen wurden eigene Second Unit-Regisseure oder Kamerateams eingesetzt, die nur dafür zuständig waren. Bären, Füchse, Rehe, Hirsche, Hasen tummeln sich nun also in großer Anzahl vor der Kamera. Es ist leicht, das heute im Rückblick als dramaturgisch ungerechtfertigt abzutun, aber diese Filme deckten damit eine Zusatzfunktion wie heutige TV-Formate („Universum“) ab. Nach Echo der Berge folgten Das heilige Erbe, Die Sennerin von St. Kathrein, Försterliesl, Das Lied der Hohen Tauern, Heimatland, Das Erbe vom Pruggerhof, Der Schandfleck, Die Magd von Heiligenblut, Das Hirtenlied vom Kaisertal, Der König der Bernina, Und ewig singen die Wälder, Das Erbe von Björndal, Das Mädchen vom Pfarrhof, Heimweh … dort wo die Blumen blühen, Wenn die Glocken hell erklingen, Vier Mädel aus der Wachau, Die Winzerin von Langenlois, Die Lindenwirtin vom Donaustrand, Almenrausch und Edelweiß etc.. Im Heimatfilm konnte man alle schönen Regionen Österreichs bereisen, vom Hochgebirge bis zur Donau. Die Filme dienten gleichzeitig auch in Deutschland, wo die meisten Zuschauer saßen, als Werbeprospekte für den österreichischen Tourismus, den Fremden-Verkehr, wie man es damals noch nannte, dessen Förderung als geheiligtes nationales Anliegen galt.

Auffällig ist, daß sich keine einzige Ganghofer-Verfilmung darunter befindet, obwohl die Ganghofer-Typologie für die meisten Heimatfilme übernommen wurde. Das hatte rein wirtschaftliche Gründe. Der Münchner Filmproduzent Paul Ostermayr hatte frühzeitig alle Filmrechte an Ludwig Ganghofers Werken en bloc erworben. Das Ganghofer-Schema war aber trotzdem fixer Bestandteil der Symbolsprache in den Heimatfilmen: die Guten leben auf den Bergen, tragen Trachten, lieben die Jagd (d.h. sie töten Tiere nur mit dem Jagdschein), die Bösen befinden sich im Tal, tragen manchmal städtische Kleidung, und betätigen sich häufig als Wilderer oder sonstige Naturfrevler. Wenn sich ein Liebespaar zusammenfindet, dann folgt der entscheidende Kuß oft vor dräuenden Berggipfeln, die gleichsam den Bund billigend und behütend aufragen. Um zu den Guten zu gehören, war es nicht notwendig, Einheimischer zu sein, denn schließlich wollte man die potentiellen Sommergäste aus Deutschland nicht vor den Kopf stoßen und sogar Identifikationsmöglichkeiten bieten.

Eine einzigartige Verquickung zwischen Heimatfilm und Habsburgerfilm schafft Ernst Marischka dann mit seiner Sissi-Trilogie (1955, 1956, 1957). Wie immer man dazu steht, eine Tatsache ist, daß die Filme auch heute noch, 45 Jahre nach ihrer Entstehung, weltbekannt sind, und die Bilder des Films das Image Österreichs weltweit genauso geprägt haben wie etwa Sound of Music (1965).

Sechziger Jahre: Film zwischen Massenware und Avantgarde

In den sechziger Jahren trat eine extreme Polarisierung im Filmschaffen ein. Dem Niedergang des züchtigen Heimatfilms, an dem sich selbst das treueste Publikum schon satt gesehen hatte, folgt, unter geänderten gesellschaftlichen Bedingungen, die Sexwelle (üblicherweise Softsexfilme, die man heute beinahe im Jugendprogramm des Fernsehens zeigen könnte), während auf der anderen Seite Filmemacher wie Axel Corti und Karin Brandauer in ihren anspruchsvollen Filmen einen direkten Blick auf die Wirklichkeit mit wohl dosierter Sozialkritik verbanden. Daneben entstanden auch viele Filmexperimente, die das große Publikum nie erreichten. Aber nicht nur die österreichische Filmwirtschaft steckte in einer Krise, die nur mit einer inhaltlichen und strukturellen Erneuerung gebannt werden konnte, sondern auch Hollywood, das sich mit dem Niedergang des Studiosystems mit Filmen wie Bonny and Clyde (1967) und Easy Rider (1969) im Schlepptau der Jugendkultur wieder aufrappeln konnte. In Österreich war die alte Garde zumeist am Ende angelangt.

Hie und da entstand noch ein Publikumserfolg des Heimatfilms, wie das Remake von Im Weißen Rössl (1960) mit Waltraut Haas und Peter Alexander. Diese Version des Weißen Rössls wird heute noch am häufigsten gespielt. Meist sind die Heimatfilme aber nur mehr der x-fache Aufguß bereits bekannter Themen oder nicht viel mehr als bebilderte Schallplatten, da nun auch Plattenfirmen zu Werbezwecken als Filmfinanciers auftraten. Das Fehlen eines Filmförderungsgesetzes, das erst 1980 in Kraft trat, brachte die Filmproduktion beinahe zum Erliegen, und der qualitätsvolle Heimatfilm mit sozialer Dimension, auch wenn man ihn damals nicht so nannte, wurde in den siebziger Jahren im Rahmen des Fernsehspiels verwirklicht, darunter z.B. Die Alpensaga.

Resümee

Durch die Betonung der österreichischen Klangfärbung der Sprache hatte man in den fünfziger Jahren noch ein Identitätsgefühl schaffen wollen. Aber mit der Vorherrschaft der deutschen Verleihe verliert das Österreichische immer mehr an Boden, und gar Dialekt wäre jenseits des „Weißwurstäquators“ bei Frankfurt am Main, wie man dies in der Filmbranche zu bezeichnen pflegte, ein ernsthaftes Geschäftshindernis.

Eine Ausnahmeerscheinung in jeder Hinsicht ist die zweite Verfilmung von Karl Schönherrs Der Weibsteufel durch Georg Tressler, einem damals jungen und ambitionierten Regisseur, der damit noch 1966 einen ernstzunehmenden Heimatfilm schaffen wollte und um der „Echtheit“ willen sogar die Darsteller im Dialekt sprechen ließ, was den Film trotz seiner Meriten in Deutschland unverständlich und unverkäuflich machte und der damit zum Paradebeispiel für das Dilemma zwischen Authentizität und Kommerzialität wird. Die sprachliche Anpassung setzte sich meist zwangsweise bei den Titeln fort, die der deutsche Verleih verordnete.

Da es sich meist um österreichisch-deutsche Ko-Produktionen handelte, wurden die Hauptrollen oft von Deutschen gespielt. So hieß das Remake des Hofrat Geiger nun Mariandl (1961) und niemand anderer als die Berliner Schlagergöre Conny Froboess spielte das Wachauer Mädel. Auch die Gegenüberstellung von Wiener Gemütlichkeit und Berliner Schnauze wurde oft als komisches Element eingesetzt, aber das war natürlich bereits ein altbekannter Operettentrick.

In vielen Heimatfilmen, in denen der eigentliche Hauptdarsteller die Landschaft ist, rückt der Dialog automatisch in eine Nebenlinie. Nicht nur, daß Wortkargheit bei den „richtigen“ Männern vorherrscht, sondern auch dort, wo noch gesprochen wird, scheint die fehlende Verständigung, das Kommunikationsproblem, das Mißverständnis an der Tagesordnung zu sein, d.h. die Probleme entstehen nicht aus den Charakteren, sondern aus den Situationen heraus. Sprachliche Interdependenzen gibt es auch zu anderen Medien: „Bekannt aus Funk und Film“ hieß es, wenn ein Schlagerstar auch im Film auftrat oder umgekehrt. Die reißerische Vorausreklame der Verleihe an die Kinobesitzer vergröberte und trivialisierte die Inhalte noch weiter.

Der Heimatfilm der fünfziger Jahre geht kaum mehr auf die Blut-und-Boden-Dichtung der dreißiger Jahre zurück, sondern gewinnt seine eigene Ausprägung, die zu einem großen Teil durch die wirtschaftliche Situation des österreichischen Films entsteht: immerhin wurde er als eine Möglichkeit gesehen, dem Angebot der teuren Hollywoodproduktionen mit eigenständigen Schöpfungen auszuweichen, sozusagen ein Nischenprodukt anzubieten. Heimatfilme wurden auch zu einer Art Refugien vor amerikanischen Einflüssen, wie z.B. dem Western und dem Gangsterfilm.

Zweitens lieferte er, was die deutschen Verleihe verlangten, welche die österreichische Filmwirtschaft eben als für die Heimatfilme zuständig sah. Auf der geistigen Ebene ging es zumindest manchmal um den Versuch, eine kulturelle Identität zu schaffen, auch wenn sie oft in Provinzialität und Kleingeisterei verstrickt blieb. Die unglaubliche Naivität, die uns heute lächeln macht, war damals noch ernst gemeint, aber sie ist nicht nur ein österreichisches Phänomen, sondern wir finden diese penetrante Rechtschaffenheit auch in amerikanischen Filmen der Zeit z.B. mit Jimmy Stewart.(It’s a Wonderful Life, The Glenn Miller-Story, Miracle on 34st Street, Andy Hardy Series, oder amerikanische „Heimatfilme“ wie Little House on the Prairie, Oklahoma, State Fair).

Vor allem sind die Heimatfilme ein Ausdruck der fünfziger Jahre: Die Sprache, die Ideen, der Stolz auf die österreichische Landschaft (einer der Hauptwerte, der nach dem Krieg noch geblieben war), die Landschaftsbilder als Symbole der nationalen Identität. In diesem Sinne wird der Heimatfilm als Massenphänomen durchaus wesentlich dazu beigetragen haben, eine nationale Identität nicht nur zu reproduzieren, sondern mitzugestalten.

 


Literatur

Gertraud Steiner: Die Heimat-Macher. Kino in Österreich 1946-1966. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1985. Und: Gertraud Steiner: Traumfabrik Rosenhügel. Wien: Compress 1997.