Von Naoji Kimura (Tokio)
Der japanische Berg Fuji ist wohl weltbekannt. Er ist nicht nur der höchste, sondern auch der schönste Berg in Japan. Freilich ist die Berghöhe von 3.776 Meter eine geographisch-objektive Angabe, während die Formschönheit des Berges ein ästhetisches Wohlempfinden ist, das je nach den verschiedenen Einwohnern und Zeiten subjektbedingt sein könnte. Aber in der japanischen Geschichte besteht von Anbeginn bis zur Gegenwart ein erstaunlicher Konsens unter den Japanern über die Schönheit des Berges Fuji. Er wird deswegen jährlich von mehr als 400.000 Menschen bestiegen, und darunter nicht wenigen ausländische Touristen. Ein bekanntes Wort lautet: Wer beim Abschied aus Japan den Fuji sieht, wird wiederkommen. Es ist wirklich nicht übertrieben zu sagen, daß jeder Japaner glücklich ist, wenn er den Berg in der Nähe oder Ferne, am Morgen oder am Abend, im klaren oder trüben Wetter auch nur einen Augenblick erblicken kann, und zwar zu allen vier Jahreszeiten. So ist die ganze japanische Kultur voll von Bewunderung für den Berg Fuji als Sinnbild der göttlichen Natur. Davon gibt es manche Zeugnisse in der japanischen Kunst, wie sie im folgenden anhand von Aspekten aus der Mythologie, Dichtung und Malerei detailliert skizziert werden sollen. Dabei wird unter Kunst eine Virtualität im weitesten Sinne des Wortes verstanden, stellt sie doch immer eine Transformation der Realität dar und wird insofern als eine andere Wirklichkeit aufgenommen.
1. Der Berg Fuji in der Realität
Nicht zu vergessen ist, daß der Berg Fuji ein ruhender Vulkan ist. Soweit man dies geschichtlich feststellen kann, wiederholte sich die Eruption seit 781 in der Nara-Zeit bis heute zehnmal, zuletzt im Jahre 1707. Als der sogenannte Hoei-Krater damals auf der südöstlichen Seite entstand, soll der Rauch eine Höhe von 10.000 Meter erreicht haben. Die Asche häufte sich auf dem Bergfuß fast 3 Meter hoch, so daß Reisfelder und Äcker im Umland weitgehend zerstört wurden. Die Folge davon war eine Jahrzehnte andauernde Hungersnot in der Edo-Zeit. Abgesehen davon ist das Staunen über die Entstehung des gleichsam kleinen Berges am Hoei-Krater durch eine bildliche Darstellung festgehalten, die in den Hundert Ansichten des Berges Fuji von Katsushika Hokusai enthalten ist.(1) Diese sind sozusagen eine vermehrte Ausgabe der bekannteren kolorierten Serie des gleichen Künstlers 36 Ansichten vom Berg Fuji. Gerade aus diesen Holzschnitten ist zu ersehen, wie beliebt es trotz aller Gefahren und Mühsale war, auf den Berg Fuji zu steigen. Heutzutage kann man relativ leicht bis zu einer gewissen Höhe mit dem Auto hinauffahren.
Das älteste schriftliche Zeugnis von der Besteigung des Fuji ist Fujisanki des Gelehrten der frühen Heian-Zeit Miyako no Yoshika, das in chinesischer Sprache in den Jahren 875-879 entstanden ist. Darin wird berichtet, daß es bereits Bergsteiger mit religiösen Gründen wie En no Ozunu (= En no Gyoja, gestorben im Jahre701) gegeben hat. Denn Fujisan galt damals schon als der heilige Berg, wo Götter und Buddhas zusammenkommen. Es wird u.a. auch geschildert, wie auf der Bergspitze Seen und ein sogenanntes Tigergestein existieren und frischer Bambus wächst. Daß derVulkan in der Heian-Zeit vorübergehend geruht hat, ist durch das Vorwort des Hauptherausgebers Ki no Tsurayukis in der kaiserlichen Anthologie Kokinshuu bezeugt. Es ist der buddhistische Mönch Matsudai, der gegen Ende der Heian-Zeit eine nachwirkende Bergfrömmigkeit begründet hat. In einer 1149 entstandenen Schrift wird erwähnt, daß er eine der bedeutendsten Sutren abschreiben ließ, um sie auf der Bergspitze des Fuji zu vergraben. Auf einem ihrer acht Gipfel wurden denn auch im Jahre 1930 zahlreiche Abschriften solcher Sutren (50 davon mit der Jahresangabe 1219-1222) entdeckt, was für die Weiterentwicklung der Bergfrömmigkeit seit Matsudai spricht.
In den Jahren 1317-1319, der Kamakura-Zeit, wurde diese Bergfrömmigkeit unter dem Namen Fujiko allmählich organisiert, indem vor allem der Mönch Raison sich für das religiös motivierte Bergsteigen seiner Anhänger einsetzte. Im Jahre 1558 unterzog sich dann ein junger Asket namens Kakugyo tausend Tage lang strengen Übungen in einer Höhle am westlichen Bergfuß des Fuji. Einst hatte der Shogun Minamoto no Yoriie seinen Vasallen Tadatsune mit der Erforschung der Höhle beauftragt. Da aber ein Begleiter in der Höhle einen mysteriösen Tod starb, kam Tadatsune unverrichteter Dinge zurück, nachdem er sein Schwert in den unterirdischen Fluß geworfen hatte. Daß sowohl Yoriie als auch Tadatsune bald darauf durch ein Attentat umgebracht wurden, führte man auf einen Fluch des Berggottes zurück. Danach betrat niemand mehr die Höhle. Durch Kakugyo wurde anscheinend der Bann gebrochen. Das im Fujiko organisierte Bergsteigen entwickelte sich immer weiter bis zu einer geistlichen Zentrale mit 808 Zweigstellen in der Edo-Zeit.
Da im Laufe der Zeit fünf Bergrouten durch einige Schreine im Besitz der Domänen am Fuji eingerichtet wurden, mußten jedoch die Gläubigen beim Bergsteigen verschiedene Gebühren bezahlen. Anfang des 17. Jahrhunderts berichtete beispielsweise ein Mönch aus Kyoto: „Als Verkehrssteuern mußte ich 36 mon entrichten. Um mich mit dem Wasserfall zu reinigen, bezahlte ich 6 mon und darüber hinaus bei verschiedenen Anlässen der Rast oder Besichtigung von Buddhafiguren. Ein fürchterlicher Anblick waren die Leichen der Bergsteiger, die durch Höhenkrankheit erstickt gestorben waren usw.“ So erging es mehr oder weniger ähnlich den anderen Bergsteigern auf dem Fuji. So starben im Jahre 1518 durch wütende Stürme 13 Pilger des Ordens Fujiko auf dem Berg. Im Jahre 1811 kamen ebenfalls 18 Pilger ums Leben.
Das Besteigen des Fuji war früher als asketische Übung der Frömmigkeit gedacht. Deshalb wurde den Frauen der Zutritt zum heiligen Berg strikt verboten. Erst im März 1872 wurde dieses Verbot aufgehoben. Aber im September 1832 hatte eine 25jährige Pilgerin bereits auf dem Gipfel des Fuji gestanden. In Begleitung eines alten Mönchs, der in der Tradition seit Matsudai eine eigene Sekte der Bergfrömmigkeit weitergeführt hatte, bestieg sie als Mann verkleidet den schneebedeckten Fuji. Der Mönch war insgeheim davon überzeugt, daß die vier Stände in der feudalen Gesellschaftsordnung – Samurai, Bauern, Handwerker und Kaufleute – eigentlich gleichberechtigt seien, und im Zuge dessen auch von der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Denn seine Bergfrömmigkeit beruhte auf der Grundanschauung, daß der als „uranfängliche Eltern“ bezeichnete Kosmos Himmel und Erde schuf und alle Menschen individuell geachtet werden sollten. So wirkte sich eine religiöse Bewegung der Bergfrömmigkeit schließlich unter dem Volk soziologisch aus.(2)
Der Bergname Fujisan im Japanischen stand lautmäßig von Anfang an fest. Seine Schreibweise mittels chinesischer Schriftzeichen war jedoch je nach Legende verschieden. Hier geht die geschichtliche Realität fast unvermeidlich zur Mythologie über. Es handelt sich dabei um das älteste Zeugnis von dem Bergnamen um das Hitachi-Fudoki, d.h. Chronik der Provinz Hitachi. Es wird darin erzählt, wie einmal ein Ahnengott auf der Reise zu verschiedenen Göttern eine Übernachtung bei der Gottheit des Fuji-Berges gesucht hat. Diese hat aber wegen eines Reinigungsrituals im Erntefest abgesagt. Dagegen war die Gottheit des Berges Tsukuba in der Provinz Hitachi bereit, trotz der Neuerntezeremonie dem Ahnengott mit Speise und Trank zu dienen. Deshalb ist der Berg Fuji heute noch mit tiefem Schnee bedeckt und kann nicht von den Menschen bestiegen werden. Dagegen können sie ununterbrochen auf den Tsukuba-Berg steigen und hören nicht mit dem fröhlichen Essen und Trinken auf. Dieser Berg ist in der Tat mit seinem männlichen und weiblichen Gipfel bekannt und beliebt.(3)
Bei dieser Legende wird der Bergname Fuji mit zwei Schriftzeichen wiedergegeben, die jeweils „Glück“ und „Zärtlichkeit“ bedeuten, obwohl sie nicht unbedingt wörtlich zu nehmen sind. Nach einer anderen (der zweitältesten) Geschichte Taketori-monogatari erwiderte die junge Heldin Kaguya Hime, die die Heiratsanträge von fünf Adligen mit unerfüllbaren Wünschen zurückgewiesen hatte, auch nicht die vom Kaiser erwiesene Zuneigung. Als sie an einer Vollmond-Nacht in den Himmel fahren sollte, begleitete er sie auf den Gipfel des Fuji-Berges. Das Lebenselixier, das er von ihr zum Abschied geschenkt bekam, hat er aber dort verbrannt. Deshalb soll der Rauch seitdem vom Berg Fuji aufsteigen, der dann mit den zwei Schriftzeichen für „unsterblich“ benannt wurde. Ansonsten finden sich die gleichlautenden Bergnamen mit weiteren Schriftzeichen, die „unersetzbar“ oder „unerschöpflich“ bedeuten. Die jetzige Schreibweise bezeichnet einen Berg, der reich an nennenswerten Männern wie Samurai ist.
2. Der Berg Fuji in der Mythologie
Naheliegend ist der Vergleich mit der griechischen Mythologie, weil ein paar Motive wie der Gang in die Unterwelt oder die Felsenwohnung mit der japanischen Mythologie zumindest äußerlich gemeinsam sind. Im Nachwort zu seiner Gesamtausgabe von Katsushika Hokusai schreibt zwar Franz Winzinger: „Was der Olymp, der Sitz der Götter, für die alten Griechen war, ist der Fuji für die Japaner.“(4) Aber streng genommen spielte der Berg in dem ältesten mythologischen Geschichtswerk Kojiki (712) noch keine Rolle. Erwähnt ist darin lediglich die Prinzessin Konohana Sakuya Hime, die nachträglich als Göttin mit dem Berg Fuji in Verbindung gebracht worden ist. Im Kojiki selbst tritt sie als die Ehefrau des Souveränen Erlauchten Enkels von Amaterasu Omikami auf. Als die Sonnengöttin nämlich ihren Enkel Ninigi no Mikoto mit dem göttlichen Auftrag, über das Land der aufgehenden Sonne zu herrschen, vom Himmel auf die Erde schickte, suchte er zunächst nach einer Ehefrau und fand sie folgendermaßen:
Hierauf traf Ama-tsu-Hi-daka-hiko Ho no Ninigi no Mikoto am erlauchten Kap von Kasasa ein schönes Mädchen. Als er sie fragte, wessen Tochter sie sei, antwortete sie und sprach: „Ich bin eine Tochter des Berggottes Oho-yama-tsu-mi no Kami, und mein Name ist Kamu-Ata-tsu-hime, auch werde ich mit dem Namen Ko-no-Hana no Sakuya-bime genannt.“ Weiterhin fragte er: „Hast du Geschwister?“ Sie antwortete und sprach: „Eine ältere Schwester von mir, Iha-naga-hime, ist vorhanden.“ Als er ihr nun kündete: „Ich möchte mich mit dir begatten; was meinst du dazu?“, antwortete sie und sprach: „Meine Wenigkeit vermag das nicht zu sagen. Meiner Wenigkeit Vater Oho-yama-tsu-mi no Kami wird es dir sagen.“ Als er nun an ihren Vater Oho-yama-tsu-mi no Kami die Bitte um seine Tochter schickte, war dieser sehr erfreut darüber und gab sie ihm ehrfurchtsvoll hin, indem er noch ihre ältere Schwester Iha-naga-hime hinzugab und allerhand Gegenstände auf von hundert Leuten getragenen Tischen hinbringen ließ.(5)
Die irdische Ehe mit der Tochter des Berggottes endete nicht glücklich. Da die ältere Schwester häßlich war, schickte der göttliche Enkel von Amaterau sie zurück. Darüber war ihr Vater sehr verärgert. Denn der Name der älteren Schwester bedeutete „wie Felsen langdauernde Prinzessin“, und der Name der jüngeren Schwester „wie Baumblüten herrlich-blühende Prinzessin“. Indem er dem göttlichen Enkel seine beiden Töchter gab, wollte er dessen Geschlechterlinie eine feste Grundlage wie die ewigdauernden Felsen und ein Gedeihen wie das Blühen der Baumblüten zukommen lassen. So sprach er seinen Fluch aus: „Dies schwörend habe ich sie dir ehrfürchtig dargeboten. Aber da du jetzt Iha-naga-hime zurückgeschickt und nur Ko-no-Hana no Sakuya-bime allein bei dir behalten hast, so wird das Leben der erlauchten Kinder der himmlischen Gottheit wie Baumblüten so leichtvergänglich sein.“(6)
Außerdem verschmähte der göttliche Enkel Ko-no-Hana no Sakuya-bime, als die Zeit der Geburt ihres Kindes herannahte. Er sagte, da sie in einer einzigen Nacht schwanger wurde, sei dies nicht sein Kind. Darauf antwortete sie mit Frauenstolz: „Wenn das Kind, mit dem ich hochschwanger bin, das Kind einer irdischen Gottheit ist, so soll meine Niederkunft nicht glücklich sein! Wenn es aber das erlauchte Kind der himmlischen Gottheit ist, soll sie glücklich sein!“ Hierauf baute sie eine türlose Halle, begab sich in das Innere der Halle hinein und schmierte den Eingang mit Lehmerde zu. Als die Zeit der Niederkunft herankam, steckte sie die Halle in Brand und gebar drei Kinder, die feurige Namen erhielten. Das Verbrennen der Geburtshütte mit der Insassin erscheint hier als ein Ordal, und die anschließende Bemerkung zu dem Fluch ihres Vaters besagt: „Daher kommt es also, daß bis zur Jetztzeit die erlauchten Lebensdauern der himmlischen souveränen Hoheiten nicht lang sind.“
Was aus Ko-no-Hana no Sakuya-bime nach diesem Ereignis geworden ist, darüber wird im Kojiki nichts mehr erzählt. Ausreichend angedeutet ist aber der Umstand, daß ihr Vater als die irdische Gottheit des Berges bezeichnet wird. Wenn man bedenkt, daß der Fuji in der vorgeschichtlichen Zeit ein feuerspeiender Berg war, so erscheint auch die Niederkunft ihrer Kinder in der brennenden Halle als symbolisch. Weit verbreitet ist die legendäre Vorstellung von Ko-no-Hana no Sakuya-bime als der schönen Göttin, die ihren Wohnsitz im Berg Fuji hat, wie Hokusai sie in einem Holzschnitt dargestellt hat.(7) Sie ist jedoch kein Gegenstand der späteren Bergfrömmigkeit im Zusammenhang mit dem Berg Fuji. Die tiefe Verehrung, die das japanische Volk seit alters dem heiligen Berg Fuji entgegenbringt, ist in den Legenden anderer Geschichtsquellen bezeugt. Die Geschichte legt immerhin von der imponierenden hehren Gestalt des Berges Fuji Zeugnis ab, dessen Gottheit sich am Anfang des 9. Jahrhunderts als der Asama–Daishin, d.h. der große Gott von Asama erklärt haben soll. Der Schrein, in dem er verehrt wird, heißt übrigens Sengen-Jinja.
In der ältesten umfangreichen Anthologie Manyoshuu aus dem 8. Jahrhundert ist schon ein richtungsweisendes Gedicht von Yamabe no Akahito (zwischen 680 und 745) zum Lobpreis des Berges Fuji enthalten. Als der Dichter einmal eine Reise entlang des Meeres auf der Tokaido-Landstraße machte, besang er den Berg an der Tagonoura-Bucht in der Provinz Suruga, der heutigen Präfektur Shizuoka. Darin befindet sich insofern eine direkte Bezugnahme auf die mythologische Schöpfungsgeschichte im Kojiki, als die „Himmelsfluren“ genannt werden, die im Japanischen Ama no Hara im Sinne von Takamaga hara (= Gefilde des Hohen Himmels) heißen und den himmlischen Wohnsitz der Götter bezeichnen:
- Seit Himmel und Erde
sich voneinander schieden,
steht, ein Gottesmal,
in erhabener Größe
über Suruga
hoch der Gipfel des Fuji.
Zu Himmelsfluren
den Blick erhoben, siehst du
der wandernden Sonne
Licht sich hinter ihm bergen,
des hellen Mondes
Schein hinter ihm verschwinden.
Die weißen Wolken
scheuen sich, ihm zu nahen,
und unversehens
senkt sich die Wolke nieder.
Weiter erzählen,
weiter berühmen will ich
Fuji, den hohen Gipfel.(8)
Die an sich ausgezeichnete Übersetzung dieses sogenannten Choka, d.h. Langlied in deutscher Sprache, hat einen kleinen Fehler. Wie aus dem anschließenden sogenannten Hanka, d.h. Kurzlied, als Entgegnung zum Langlied hervorgeht, senkte sich unversehens nicht die Wolke, sondern der Schnee nieder, so daß der Gipfel des Fuji auch in den Sommermonaten weiß bedeckt ist. Während das Langlied hier die göttliche Würde sowie unendliche Größe des Berges hervorhebt und das Anliegen des Dichters, ewig den Berg Fuji zu preisen, unterstreicht, kommt in dem Kurzlied die emotionale Bewunderung des Dichters zum Ausdruck:
- Zur Bucht von Tago
ging ich hinaus, und siehe,
weiß, ganz weiß bedeckt
hoch den Gipfel des Fuji
der frisch gefallene Schnee.
3. Der Berg Fuji in der Dichtung
Mythologie und Legenden bilden allerdings in allen Ländern einen Teil der Literaturgeschichte. Schon das Kojiki enthält einige Liebesgedichte, die die ersten himmlischen Götter bzw. Kaiser auf der Erde besungen haben. In der Manyoshuu folgt dem repräsentativen Loblied von Yamabe no Akahito noch ein Langlied zum Lobpreis des Fuji von einem Dichter, dessen Name unbekannt ist. Es ist dichterisch ebenso zu schätzen und verdient, bekannt gemacht zu werden. So soll sein Inhalt wenigstens in einer Prosa-Übersetzung wiedergegeben werden: Inmitten der bergigen Provinz Kai (der heutigen Präfektur Yamanashi) oder der Provinz Suruga, wo die Meereswellen an den Strand schlagen, und anderen Provinzen mehr ragt der Gipfel des Fuji so hoch hervor, daß die Wolken im Himmel sich scheuen, vorbeizufließen und die Vögel nicht wagen, hinaufzufliegen. Unaussprechbar, namenlos und geheimnisvoll thront da ein Gott, der brennendes Feuer mit Schnee löscht und fallenden Schnee mit brennendem Feuer schmilzt. Das sogenannte Meer mit den Steinblumen umfaßt eben die Seen des Berges. Der Fuji-Fluß, den die Menschen durchwaten, ist ebenfalls eine Strömung des Berges. Es ist ein Gott, der über das Land der aufgehenden Sonne thront. Wahrlich ist er ein Schatz des Landes. Man kann sich den Gipfel des Fuji in der Provinz Suruga nicht genug ansehen. Diesen ausführlichen Schilderungen des Berges im Langlied steht das folgende Kurzlied gegenüber:
- Der Schnee,
auf dem Gipfel des Fuji
kaum am 15. Juni
geschmolzen,
ist in der Nacht wieder da.
Traditionsgemäß gilt der 15. Juni als der heißeste Tag des Jahres. An diesem Sommertag schmilzt zwar der Schnee auch auf dem Gipfel des Fuji, aber schon in der Nacht schneit es wieder, so daß der Berg faktisch das ganze Jahr hindurch mit Schnee bedeckt ist. Das ist der dichterischer Ausdruck der Bewunderung für den heiligen Berg Fuji, dessen geographische Lage sowie göttliche Größe und Würde im Langlied genau beschrieben worden sind. Als heilig verehrt werden ansonsten von Ootomo no Yakamochi oder einem namenlosen Dichter die schneebedeckten Berge wie Tateyama in der Provinz Toyama oder Daisen in der Provinz Chugoku. Dagegen ist es merkwürdigerweise ein kleiner Berg namens Ama no Kagu-yama in der Provinz Yamato, der im Kojiki ausdrücklich genannt wird. Nach einer Sage soll er vom Himmel auf die Erde in der Nähe der späteren Kaiserstadt Nara versetzt worden sein. Als die Sonnengöttin Amaterasu sich in die sogenannte Felsenwohnung eingeschlossen hatte, versuchten die Götter mit verschiedenen Mitteln, sie daraus hervorzulocken, um die dunkel gewordene Erde wieder hell zu machen.(9) Dabei ließen sie u.a. zwei Gottheiten „das Schulterblatt eines trefflichen Hirsches des Himmlischen Kagu-Berges herausziehen und himmlische Birkenrinde vom Himmlischen Kagu-Berge nehmen und die Divination vornehmen“.(10)
Wendet man sich der japanischen Literatur im engeren Sinne zu, so erweist sie sich ebenso wie im frühen Mittelalter als reich an verschiedenen Literaturzeugnissen. Eindrücke beim Anblick des Berges Fuji finden sich vielfach in Reisetagebüchern oder essayistischen Reiseberichten geschildert, zumal der Verkehr zwischen Kyoto und dem östlichen Japan seit der Gründung des Kamakura-Shogunats im Jahre 1192 sehr rege wurde. Aus sprachlichen Gründen können zahlreiche Schriftentitel oder literarische Darstellungen nicht so leicht angeführt werden wie Kojiki oder Manyoshuu. Es gibt aber Gedichte genug, die sich in deutscher Übersetzung annähernd wiedergeben lassen. Klassische Beispiele aus den kaiserlichen Anthologien im Mittelalter sind neben dem bereits zitierten bekannten Kurzlied von Yamabe no Akahito etwa nachstehende Waka-Gedichte:
- Mag der Gipfel des Fuji
auch einmal im Abendrot flammen,
wüßte ich nicht,
wie ich es auslöschen soll,
bin ich doch kein Wasser.
(Ki-no-menoto) - Im Wind verweht
der Rauch des Fuji
zum Himmel dahin,
so vergehen auch
meine Gedanken dahin.
(Saigyo) - Zeitlos steht
der Gipfel des Fuji
immerdar,
unversehens schneit es
im Berg verstreut.
(Narihira)
Auch in der Haiku-Dichtung der Neuzeit war der Berg Fuji ein überaus beliebtesThema. Als sie später in parodistischer Form unter den literarischen Liebhabern immer mehr verbreitet wurde, hat sich daran nichts geändert. Von dem bekannten Dichter Matsuo Basho, der in seinen essaystischen Reiseberichten viele Haiku niederschrieb, stammt beispielsweise das folgende:
- Über einem Bergrücken
mit Regenwolken verhängt,
der Schnee des Fuji.
Ansonsten zwei Beispiele aus den Haiku von Buson und Issa:
- Im Berg Fuji,
bis auf eine vergrabene Fläche,
grünen junge Blätter. - Du, Schnecke
langsam steig‘
auf den Berg Fuji.
Mit dem Aufkommen der mannigfaltigen Fuji-Themen in der Literatur hängt zusammen, daß das Besteigen des Fuji im Laufe der Jahrhunderte in weiten Kreisen des Volkes praktiziert worden ist. Es beruhte, wie gesagt, zunächst auf einer shintoistisch-buddhistisch vermengten Bergfrömmigkeit, die vor allen anderen japanischen Bergen auf den heiligen Berg Fuji gerichtet war. Ihm galten von Anfang an vorbehaltlos Ehrfurcht und Sehnsucht. Aber im Laufe der Zeit, besonders in der Edo-Zeit wurde die Bergfrömmigkeit immer mehr säkularisiert, und aus dem religiösen Bergsteigen ist allmählich ein abenteuerliches Reisevergnügen geworden. So entstand schon damals eine teilweise unterhaltsame Reiseliteratur um den Berg Fuji.
In der Gegenwartsliteratur schrieb der Autor des vielgelesenen Romans Ningen-shikkaku (= Als Mensch wertlos, 1948) während eines längeren Aufenthaltes auf einem Bergpaß des Fuji einen Essayband Hundert literarische Ansichten des Berges Fuji. Von einem anderen Schriftsteller Takeda Taijyun stammt ein Roman Fuji, der philosophische Betrachtungen in einem Krankenhaus gleichsam wie in einem Sanatorium in Davos festgehalten hat. Seine Ehefrau Yuriko schilderte im Fujisan-Tagebuch das Alltagsleben der Familie am Fuß des Fuji. Hervorzuheben ist besonders Nitta Jiro, der als Meteorologe an der Wetterwarte auf dem Gipfel des Fuji arbeitete und als Schriftsteller mehrere Romane mit dem Fuji-Thema verfaßte. Der bekannte Bergsteiger und Essayist Fukada Kyuya machte in seinem Buch Hundert berühmte Berge Japans die Bemerkung: „Was braucht man eigens über diesen schönsten Berg Japans zu sagen?“, schrieb aber dennoch eine Lobrede auf den Berg Fuji. Auf den ersten Blick unscheinbar ist auch die kleine Erzählung des japanischen Nobelpreisträgers Kawabata Yasunari Der erste Schnee auf dem Fuji-Berg.(11)
In dieser modernen Novelle geht es nicht mehr um die objektive Größenordnung des heiligen Berges, sondern um seine subjektive Bedeutung für die Menschen. Sie besteht vor allem in der Unwandelbarkeit, die sich symbolisch in dem immer wiederkehrenden Schnee auf dem Gipfel des Berges zeigt. Ihr steht die Wandelbarkeit der menschlichen Verhältnisse gegenüber, wie sie sich manchmal zwischen Mann und Frau abspielen: Utako und Jiro begegnen sich nach Jahren wieder, nachdem sie sich nach dem Tod ihres gemeinsamen Kindes einmal getrennt und jeweils einen anderen bzw. eine andere geheiratet hatten. Utako ließ sich gerade trotz ihrer zwei Kinder aus der zweiten Ehe scheiden, während Jiro immer noch mit einer Frau verheiratet ist. Sie verbringen in Hakone, einem Badeort am Fuß des Fuji, wie früher eine Liebesnacht und fahren nun nach Tokyo zurück. Aus dem Fenster des Zuges wie bei der Hinfahrt wieder den Fuji mit dem ersten Schnee betrachtend, unterhalten sich Utako und Jiro miteinander:
- „Nun sind die Wolken fort, und der Berg liegt frei bis hinunter zum Fuß.“
- „Ohne Wolken sieht auch das bißchen Schnee auf dem Gipfel kümmerlich aus. Findest du nicht auch?“
Da sie ihm sacht widerspricht und sagt, sie bekäme langsam vielleicht doch wieder etwas Mut zum Leben, erscheint der Zusatz ebenfalls symbolisch: „Ihre Stimme klang so kraftvoll, daß sich Jiros Augenbrauen umwölkten.“ Es machte ihr zuvor Spaß, vom Bad aus die Berge zu betrachten, und so starrte sie gedankenverloren zum Fenster hinaus. An dieser Stelle findet man kaum etwas von den traditionellen Naturgefühlen von Yamabe no Akahito, Saigyo, Narihira oder Matsuo Basho. Am Anfang der Novelle stellte Jiro nur eine meteorologische Erscheinung auf dem Fuji-San fest. Als aber Utako darauf geantwortet hatte: „Oh, wirklich! Das ist der erste Schnee in diesem Jahr!“, hatte die gleiche Erscheinung für sie eine völlig andere Bedeutung. Deshalb erweist sich der Zusatz mit dem Hinweis auf ihre wörtlich umwölkte Gemütsstimmung als so modern: „Der Fuji war auch ein wenig von Wolken eingehüllt. Sie und der Schnee auf dem Gipfel hatten eine ähnliche Farbe.“ Die Wolken, die Jiro beim flüchtigen Anblick gar nicht erkennen konnte, waren am Schluß tatsächlich mit dem Kummer Utakos verschwunden.
4. Fuji in der Malerei
Es versteht sich von selbst, daß es viel mehr künstlerische Bilder vom Berg Fuji gibt als literarische Werke. Thematisch reichen sie von der Mythologie über religiös-topographische oder soziologische Darstellungen bis zur realistischen oder abstrakten Landschaftsmalerei. Dazu kommt schon lange die Photographie als künstlerische Erfassung der verschiedensten Aspekte des Fuji-Berges durch die vier Jahreszeiten, die heutzutage auf CD-Rom technisch sehr leicht reproduziert werden. Leider lassen sich alle diese Bilder ohne Illustrationen nicht veranschaulichen, auch wenn sie mit Worten einigermaßen beschrieben werden können.
In der japanischen Mythologie wird nun zwischen den himmlischen und irdischen Göttern unterschieden: Amatsu-kami und Kunitsu-kami. Mit jenen sind die Götter auf dem Takamagahara (= Hohes Gefilde des Himmels), die von dort auf das Ashihara–no Nakatsukuni (= Mittelland des Schilfgefildes) herabgekommenen Götter und deren Nachkommen gemeint, während diese zunächst die auf der Erde entstandenen Gottheiten und dann die von den Nachkommen der himmlischen Götter stammenden und in den Provinzen ansässig gewordenen Götter bezeichnen. Einer der irdische Helden in der japanischen Mythologie, die noch zur göttlichen Herrscherlinie gehören, ist Yamato Takeru. Da er wegen seiner gewalttätigen Natur von dem väterlich-kaiserlichen Hof entfernt wurde und ein überaus leidvolles Leben führen mußte, wird er geschichtlich als tragischer Held verherrlicht.(12) Als einmal sein Schiff auf dem Feldzug gegen Osten in stürmische Wogen geraten war, opferte sich seine Gemahlin dem Meergott, um ihm zum Weiterkommen zu verhelfen. Bei der Rückkehr nach dem Sieg gedachte er ihrer auf einem Bergpaß in der Nähe des Fuji und seufzte drei Mal: „Adzuma ha ya (o wehe, mein Weib)!“ Diese Szene vor dem Hintergrund des Fuji wurde stimmungsvoll durch den modernen Historienmaler Yukihiko Yasuda in altjapanischem Stil dargestellt.
Für das Besteigen des Berges Fuji gibt es seit langem unzählige typographische Illustrationen. Sehr kunstvoll ausgeführt ist z.B. das goldfarbige Mandala-Bild des Fuji vom Hofmaler Kano Motonobu gegen Ende der Muromachi-Zeit zwischen der Kamakura- und Edo-Zeit. Auf dem Bild sind im oberen Teil der Berg mit drei Gipfeln, jeweils mit einer Buddhafigur versehen, im mittleren Teil eine Anzahl shintoistische Schreine und buddhistische Tempel für die Gottheit des Fuji und im unteren Teil wandernde Pilger sowie verschiedene Dienstleute dargestellt. Am Berg hängen mehrfach Wolkendünste, und am Himmel beleuchten links die Sonne und rechts der Mond die ganze Szene. Es ist ein ehrwürdiges religiöses Bild. Obwohl die dargestellten Gebäude meist nicht mehr existieren, kann man sich gut vorstellen, wie man damals den Berg Fuji bestieg. Die oben erwähnte Bergfrömmigkeit spiegelt sich hier in ihrer shintoistisch-buddhistischen Lehre wider. Im Vergleich damit ist das Bild eines Utagawa Kuniyoshi (um 1844) in der Edo-Zeit als ein populäres Sittengemälde aufgrund einer Sage anzusprechen.(13)
Ein interessantes Beispiel für soziale Auswirkungen des Fuji-Bergsteigens ist ein von Kuniteru gemaltes Bild Fujisan sho-nin sankei no zu (= Pilgerfahrt auf den Berg Fuji) mit zwei Triptichen. Das eine stellt das Hinaufsteigen und das andere das Hinabsteigen mit vielen gleich gekleideten Pilgern dar. Auf ihrem Rücken oder auf den Strohhüten sind aber Schilder ihres Geschäfts bzw. Erwerbs angebracht. Je nach dem, ob die Bergsteiger hinaufgehen oder herabkommen, kann man beobachten, welche Preise in der ausgehenden Edo-Zeit gestiegen und welche gefallen sind. Im Aufstieg befinden sich beispielsweise Tee-Rasthäuschen, Schauspieler oder Gemüsehändler, und im Abstieg Waren wie Speiseöl, Fisch, Nudeln, Holzsandalen oder Zucker. Das Bild zeigt vor allem, wie lebensnah das Fuji-Bergsteigen für die Menschen der Edo-Zeit geworden war. Nebenbei bemerkt, findet man darin keinen Samurai mit Schwertern, was wohl durch seine Sonderstellung in der Gesellschaft verursacht ist. Abgesehen vom Mönchsstand waren Geschäft und Vergnügen ausschließlich Angelegenheiten des Volkes.
Mannigfaltiger ist allerdings der Themenbereich in den Holzschnitten von Katsushika Hokusai. Thematisch lassen sich seine hundert Ansichten des Berges Fuji in folgende Rubriken einteilen: I. Bergfrömmigkeit, II. Geomorphologie, III. Berglandschaft, IV. Meer- und Flußlandschaften, V. Tiere und Pflanzen, VI. Menschen.(14) Auf diese Weise könnte man aus einer Naturlandschaft auf eine Seelenlandschaft der Japaner im 18. Jahrhundert schließen, war es doch letzten Endes die Absicht des Künstlers, dem Interesse des damaligen Publikums zu entsprechen.
I. Bergfrömmigkeit
- 1. Konohana Sakuja Hime, die Schützgöttin des Fuji
- 3. Der buddhistische Heilige des Fuji En no Ubasoku
- 5. Pilger beim Aufstieg mit dem Zeichen „Fuji“ auf dem Hut
- 6. Absteigende Pilger in der losen Vulkanasche abrutschend
- 46. Pilger nützen die Heilkraft in einer Höhle des Fuji
- 63. Pilger auf der wunderbaren Brücke aus Kiefern in Nantai-zan aus Yashu
- 76. Hakai-meguri – eine der acht Pilgerstationen am Fuji
II. Geomorphologie
- 2. Die Entstehung des Fuji nach einem gewaltigen Erdbeben
- 7. Der letzte Ausbruch des Fuji im Jahre 1707
- 8. Eine Reisegesellschaft verwundert sich über den beim letzten Ausbruch entstandenen Nebengipfel Hoei-zan
III. Berglandschaft
- 4. Der Fuji bei klarem Wetter
- 9. Der Fuji im Nebel, der vom Fluß aufsteigt
- 11. Der Fuji hinter dem Weidendamm
- 15. Berge vor dem Fuji
- 24. Der Fuji von Edo aus
- 92. Der Fuji hinter den Schilffeldern von Musashino
- 102. Am Ende der Folge nochmals der Fuji
IV. Meer- und Flußlandschaften
- 13. Der Fuji von Sodega-ura aus
- 16. Der Fuji von Omori aus gesehen
- 40. Die Sturmwoge mit Chidori-Möwen vor dem Fuji
- 100. Der Fuji von der See aus
V. Tiere und Pflanzen
- 14. Der Fuji mit Kranichen von Mi Hagara aus
- 18. Der Fuji hinter der Kiefernpflanzung
- 20. Wildgänse und Spiegelbild des Fuji im Wasser
- 31. Der Fuji über den Reisballen, die Reichtum bedeuten
- 34. Der Fuji hinter dem Bambuswald
- 36. Der Sturmdrache, zum Fuji aufsteigend
- 42. Die drei glücklichen Dinge, von denen man träumt: Falke, Aubergine und Fuji
- 43. Die drei vollkommenen Weiß: Der beschneite Fuji, der Silberreiher und die Schneeflocken
- 45. Der Fuji hinter den Kiefern
- 55. Heulender Hund im Mondschein vor dem Fuji
- 72. Der Fuji im Spinnennetz gefangen
- 89. Der Fuji mit Hirsch und Fledermäusen als Glückszeichen
- 97. Der Fuji mit fliegenden Kranichen vom Rakan-Tempel aus
VI. Menschen
- 10. Der Fuji mit Jagdgesellschaft vom Gebirge aus gesehen
- 12. Der Fuji beim Tanabata-Fluß
- 17. Der Fuji mit Holzhackern, von einer Höhle aus gesehen
- 19. Fallende Ahornblätter und Herbstfeuer vor dem Fuji
- 21. Bambusflösse und der Fuji hinter dem Schilf
- 22. Der Fuji im Wintersturm
- 23. Der Fuji am Neujahrsfest
- 25. Der Fuji als Spiegelständer der Sonne
- 26. Pferdewäsche vor dem Tabaktrockenständer mit Fuji
- 27. Der Fuji über der Furt mit einem Wolkenkranz
- 28. Reitochse auf der Brücke und Fuji mit Wolkengürtel
- 29. Das Picknick in der Kirschblüte
- 30. Der Fuji über den Reisfeldern
- 32. Der Fuji und der Brunnenmacher
- 33. Der Einbaum auf dem Shinano-Fluß in Yatsugatake
- 35. Der Fuji über dem Damm
- 37. Boot in bewegter See
- 38. Der Fuji hinter den Stoffbahnen im Färberbezirk
- 39. Das Spiegelbild des Fuji in der Sake-Schale des Trinkers
- 41. Der Fuji von Susaki in Shikuoka aus
- 44. Der Fuji gleicht im Fensterausschnitt einem Hängebild
- 47. Der Zeichner mit Gefolge vor dem Fuji
- 48. Der Fuji mit sieben Brücken auf einem Blick
- 49. Der Fuji über der Schlucht beim Taishaku-Tempel
- 50. Der Fuji beim Sonnenuntergang über der Shimada-Bucht
- 51. Lastträger an den Flanken des Fuji
- 52. Gewitter im Bergdorf vor dem Fuji
- 53. Holzfäller in den Bergen von Totomi
- 54. Der Speichersee vor dem Fuji
- 56. Der getürmte Schneeberg in Gestalt des Fuji
- 57. Der Dichter Kakinomoto Hitomaro schaut den Fuji über den Salzfeldern von Matsuho
- 58. Samurai im Kampf mit einem wilden Eber vor dem Fuji
- 59. Der Fuji hinter dem Bambusgitter
- 60. Der Fuji im Rundfenster
- 61. Der Fuji aus dem Tal gesehen
- 62. Zwei Helden der Vorzeit im Ringkampf
- 64. Der Fuji im Schneegestöber
- 65. Fischer neben einem Schiffswrack, das als Kapelle dient
- 66. Der Fuji über den Dächern
- 67. Reisende vor dem von Wolken verhüllten Fuji
- 68. Koreanische Gesandtschaft vor dem Fuji
- 69. Der Fuji vor Sonnenaufgang
- 70. Der Fuji zwischen den Beinen des Böttchers
- 71. Der Fuji von Suidobashi aus
- 73. Der Fuji von der Küste aus
- 74. Der Gipfel des Fuji über den Dächern von Azumi-mura
- 75. Der Fuji vom Sumida-Park aus
- 77. Die Gruppe mit dem Kemari-Fußball vor dem Fuji
- 78. Zum Trocknen aufgespannte Fischernetze vor dem Fuji
- 79. Der Fuji im Sommer von Inaga-ne aus
- 80. Der Fuji mit den Astronomen von Torigoshi aus
- 81. Der Fuji neben dem Wasserfall
- 82. Reisende und Lastträger vor dem Fuji
- 83. Der Fuji vom Bezirk der Schirmmacher von Aojama aus
- 84. Der Fuji hinter dem Tauchnetz des Fischers
- 85. Der Fuji unter der Brücke gesehen
- 86. Der Fuji hinter dem Baugerüst
- 87. Der Fuji im Landregen
- 88. Der Fuji vor der Schiffswerft aus gesehen
- 90. Der Fuji und das schwimmende Faß
- 91. Kalligraph, der auf eine Laterne das Zeichen Fuji malt
- 93. Der Fuji durch das Tor eines Shinto-Heiligtums gesehen
- 94. Überraschender Blick auf den Fuji durch die Mauerlücke
- 95. Zwei Raucher vor dem durch Nebelbänke verdeckten Fuji
- 96. Der Kuckuck vor dem Fuji, von einem Reisenden beobachtet
- 98. Der Fuji vom Senzoku-Teich aus gesehen
- 99. Das Bild des Fuji kopfstehend auf die Papierwand projiziert
- 101. Die Spiegelung des Fuji im Hebioi-Teich
Wie aus dieser Übersicht hervorgeht, berücksichtigte Hokusai in erster Linie die in der Edo-Zeit weitverbreitete Bergfrömmigkeit, indem er das Bild der Schutzgöttin des Fuji Konohana Sakuya Hime voranstellte und ihm auch noch das Bild des buddhistischen Heiligen En no Ubasoku folgen ließ. Von den Pilgern, die den heiligen Berg erklimmen, finden sich auch fünf Bilder. Es sind auch drei Bilder da, die von der uralten Entstehung und dem jüngsten Ausbruch des ruhenden Vulkans Fuji berichten. Aber es gibt relativ wenige reine Darstellungen der Berg-, Meer- oder Flußlandschaften, wo die Menschen nicht zu sehen sind. Viel mehr sind einzelne Tiere oder Pflanzen als solche im Vordergrund realistisch dargestellt. Fast zwei Drittel der hundert Ansichten des Berges Fuji machen die Bilder aus, in denen das Alltagsleben des Volkes mit seinen Häusern, Einrichtungen oder Werkzeugen von verschiedensten Seiten lebendig dargestellt sind. Durch Betrachtung dieser Holzschnitte kann man reichlich Sitten und Bräuche der Edo-Zeit kennenlernen, während man in der japanischen Kunstgeschichte vorwiegend religiöse bzw. höfische Gemälde mit dem Sujet des Berges Fuji findet. Man könnte Hokusai mit Recht den japanischen Brueghel nennen.
Im Hinblick auf die moderne Kunst Japans kann man natürlich eine Reihe bedeutender Maler hervorheben. Um nur einige zu nennen, so hat Isao Yokoyama durch seinen „roten Fuji“ bekannt. Okumura Dogyu hat den Berg Fuji, der sich je nach dem Ort der Ansicht ständig ändert, mit dem menschlichen Herzen verglichen und hat in seiner Spätzeit fast nur den Fuji-Berg gemalt. Auch der berühmte Maler Umehara Ryuzaburo hat sich intensiv mit dem Berg Fuji beschäftigt und ihn mit kräftigen Zügen wiederholt gemalt. Er pflegte zu sagen: „Sooft ich ihn sehe, erscheint er mir so frisch und schön, daß ich ihn gleich malen möchte. Aber weil es mir nicht so gut gelingt, wie ich es gern sehe, möchte ich ihn immer wieder malen.“ Ansonsten begann der bekannte Holzschnitt-Künstler Munakata Shiko mit 60 Jahren nach dem Vorbild von Ando Hiroshige die moderne Serie „53 Stationen der Tokaido-Landstraße“ zu entwerfen. Da hat er in einem fertigen farbigen Holzschnitt dem Berg Fuji das moderne Tetrapot aus Beton gegenübergestellt.
Unabhängig davon, ob man in Japan Shintoist, Buddhist, Christ oder gar Atheist ist, dürfte der Fujisan für jeden Japaner ein heiliger Berg bleiben. Wenn überhaupt in den Naturerscheinungen das Göttliche, zumindest das Numinose erkannt werden soll, so ist es sicher der Fall vorzüglich im Falle dieses Berges.
Anmerkungen
(1) Vgl. Katsushika Hokusai: Die hundert Ansichten des Berges Fuji. Fugaku Hyakkei. Gesamtausgabe. Mit Erläuterungen von Franz Winzinger. Die bibliophilen Taschenbücher Nr. 274. Harenberg Kommunikation, Dortmund 1981, S. 152 f.
(2) Über den Unterschied zur shintoistischen Weltschöpfung vgl. Veronica Ions: Die Welt der Mythologien. Deutschsprachige Ausgabe. Tosa Verlag. Wien 2001, S.18.
(3) Vgl. Naoji Kimura: Die Namen japanischer Berge. In: http://www.inst.at/berge/perspektiven/kimura.htm Abfrage vom 21.7.2002.
(4) Franz Winzinger: Nachwort zur Katsushika Hokusai-Gesamtausgabe, S. 177.
(5) Zitiert nach Karl Florenz: Die historischen Quellen der Shinto-Religion. Aus dem Altjapanischen und Chinesischen übersetzt und erklärt. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 1919, S. 74.
(6) Ebd., S. 75.
(7) Vgl. Katsushika Hokusai-Gesamtausgabe, S. 164.
(8) Übersetzt von Wilhelm Gundert. In: Lyrik des Ostens. Hrsg. von Wilhelm Gundert et al. Hanser Verlag. München 1978, S. 397 f. Nachfolgende Gedichte anderer Dichter wurden von Naoji Kimura ins Deutsche übersetzt.
(9) Vgl. Neil Philip: Mythen visuell. Deutsche Ausgabe. Gerstenberg Verlag. Hildesheim 1999, S. 122 f.
(10) Karl Florenz, a.a.O., S. 38.
(11) In: Der Kirschblütenzweig. Japanische Liebesgeschichten aus tausend Jahren. Herausgegeben und übersetzt von Oscar Benl. München 1965, S.422-444.
(12) Näheres vgl. bei Ivan Morris: Samurai oder von der Würde des Scheiterns. Tragische Helden in der Geschichte Japans. Insel Verlag. Frankfurt am Main 1989, S. 15-28.
(13) Vgl. Neil Philip, a.a.O., S. 120 f.
(14) Im folgenden stammen die einzelnen Bildertitel von Franz Winzingers Gesamtausgabe von Hokusai. Die Nummern stimmen auch damit überein.